Anders anders

Ich muss bei Diversität ja immer an Jelly Beans denken. Zumindest symbolisieren die jene Diversität, die mich persönlich am meisten interessiert: Unterschiede, die nicht direkt sichtbar sind.

Untersuchungen, Überlegungen und Maßnahmen zu nicht direkt sichtbarer, nämlich Lehr- und lernrelevanter Diversität konnte ich am 29. November zusammen mit Birgit Szczyrba bei einer Tagung des CHE in Berlin vorstellen.

Die Tagung mit dem Titel „Anders messen. Diversity-Monitoring für Hochschulen“ war extrem gut besucht und zumindest von den Themen her auch extrem vielfältig und international besetzt. Die Foliensätze waren bereits einen Tag später alle online, insofern kann ich mich auf einen kurzen Eindruck beschränken.
Dass der Umgang mit Diversity-Daten nicht unproblematisch ist, wurde ausführlich am ersten Abend diskutiert. Sind solche Daten eher wichtig, um einen „Aufschrei“ zu provozieren und Entwicklungen anzustoßen, wie Christina Vocke es formulierte – oder kann man ohne Daten Ausgangslagen und Handlangsbedarfe erst gar nicht erkennen und die Zielerreichung nicht messen, wie ich Alan Jenkins verstanden habe.
Mir persönlich war diese Diskussion an dieser Stelle etwas zu allgemein gehalten, kann man unter Daten doch sehr viel verstehen, soziometrische Daten, psychometrische Daten (das CHE-QUEST vereint beides) selbstproduzierte Daten, Daten in Form von elektronisch vorliegenden Dokukmenten – von der Post-Privacy-Diskussion ganz zu schweigen. So wurde in Berlin bei Daten immer Diversity mitgedacht, ohne es auch durchgängig so zu benennen.
Neben institutionell erhobenen Daten erscheint es mir aber wichtig, auch auf die Daten zu schauen, welche Personen in Lehr-Lern-Interaktionen voneinander „erheben“. Ohne diese kann Lernen nur schwer funktionieren, gerade in Online-Situationen wird ja bspw. auch über die Bedeutung geteilter Kognitionen diskutiert. Denn mit entsprechendem Hintergrundwissen, mit der Unterstützung sozialer Aktivitäten steigen die Aussichten darauf, dass Wissen geteilt wird, welches über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus geht.
Genau deshalb sollte eLearning immer auch einen sozialen Aspekt umfassen. Ängste, dass persönliche Aspekte im eLearning verschwinden, kann ich deshalb bei sinnvollen, gut geplanten eLearning-Umsetzungen nicht teilen. Persönliches, aber auch Lernfortschritte und -ergebnisse kommen nur anders zur Geltung und werden ggf. sogar dokumentiert und zwar je nach den Zielen der Beteiligten auch unterschiedlich zugänglich (siehe bspw. den komplett öffentlichen MOOC opco11, ein sehr spannendes Experiment).
Zurück zu der Berliner Tagung: Wie unterschiedlich Programme und Ergebnisse aus der Diversity-Forschung sind, lässt sich schon aus den beiden Workshops ableiten, bei denen ich als Teilnehmer dabei sein konnte:
  • Pierre Mehlkopf von der Hogeschool Inholland berichtete von einem Klassenlehrersystem, das man eingeführt hatte um zu verhindern, dass Studienabbrecher erst bemerkt werden, wenn sie bereits weg sind. Individueller, persönlicher Kontakt war hier also die elementare Maßnahme. Sicherlich nicht überall umsetzbar.
  • Jürgen Scheibler und Wolfgang Menzel von der Hochschule Zitta/Görlitz („Wer in Mannheim im Zug eingeschlafen ist, in Dresden nicht aufgewacht ist, kommt nach Zwickau.“) berichteten davon, wie sie nach einer Analyse Ihrer (leider sehr wenigen) Studierenden als Pragmatiker(innen) nach der CHE-Quest-Typologie passende Fördermaßnahmen für einen schnellen Abschluss umgesetzt hatten. Ob die häufige Rede von „großem Druck“ in dem Vortrag wirklich für ein gutes Konzept spricht, wird sich wohl noch zeigen müssen.
Selbstnotiz: Ich muss unbedingt noch nach dem „Vielfalt als Chance“-Foliensatz fragen. Der war extrem unterhaltsam und visuell anregend!

Gern gesehener Besuch

Es gibt sicherlich auch Situationen, in denen Lernen unsozial abläuft. Alleine, eine abgebrannte Funzel wirft kleine Schatten aufs Papier, es ist spät, keiner da, nur die Buchstaben und die Unwissenheit, die mit Wissen aufgefüllt werden will.

Aber an vielen Stellen merkt man dann doch, dass der Mensch ein soziales Wesen ist – auch wenn ja laut Rousseau die Gesellschaft das Schlechte fördert und Peter Licht auf seinem Album „Das Ende der Beschwerde“ Sätze formuliert wie „Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute nicht wären.“.
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Genug des Kulturpessimismus.
Worüber ich eigentlich schreiben wollte hat seinen Anlass im Seminar „Social Software fürs Studium“, zu dem ich dieses Mal einen Gast einladen konnte. Nicht vor Ort war Sandra Hofhues dabei, sondern zugeschaltet aus Hamburg, per virtuellem Klassenzimmer. Nun kennt man als eLearner Sitzungen im virtuellen Klassenzimmer schon lange von e-teaching.org, wir setzen es auch in unseren eLearning-Fortbildungen ein – trotzdem war diese Sitzung was besonderes:
  1. Online-Austausch als Seminarthema, als „Methode“, als Expertenthema.
  2. Online-Gastgeber sein für eine externe Expertin.
  3. Input-Zeit und Diskussionszeit waren ungefähr gleich bemessen und wir hatten echt Gelegenheit verschiedene Aspekte der Integration von selbstorganisiertem Lernen ins Studium zu beleuchten.
Denn das war Thema: Selbstorganisiertes Lernen. Die Folien von Sandra sahen übrigens so aus:
In der Diskussion hat uns eine Studierendenfrage
„Gab es in Ihrem Studium mehr selbstorganisiertes Lernen als jetzt?“
unter anderem besprechen lassen, dass es früher weniger netzgestützten Austausch unter Dozierenden gab. Solche Online-Besuche von KollegInnen erst recht nicht.
Für mich bringen solche Besuche unheimlich viel und vermutlich finde ich solche Online-Einladungen auch spannend, weil sich so gut ein Ausschnitt einer Sitzung gestalten lässt. Bei einem Präsenzbesuch müsste man eine ganze Sitzung dem Gast widmen – nicht dass er dafür nicht spannend genug wäre, aber dieses Setting begünstigt das Beleuchten von Themen aus mehreren, verschiedenen Blickwinkeln.
Ein Blickwinkel mit sehr persönlichem Gewinn ist es, zu sehen wie andere (Online)-Lehre gestalten, live dabei zu sein. Das findet zwar auch offline in Form von Hospitationen statt, aber die Online-Hospitation ist meines Wissens noch nicht sonderlich verbreitet. Vor allem gehört dazu für mich ein Aspekt, der mir erst im Nachhinein eingefallen ist und den wir deshalb bei diesem Anlass nicht näher verfolgt haben: Die Gelegenheit, einander systematisches Feedback zu geben. Mit passenden Feedbackregeln, mit vorheriger Absprache wozu Feedback gewünscht wird, mit schriftlicher / (Video?)-Dokumentation des Feedbacks.
Nur eine Idee, weil ich die Sitzung wirklich sehr gelungen fand und zu Online-Hospitationen bisher noch nicht viel lesen konnte. Ob ein solches Feedback dann auch der Dank für die Bereitschaft eines Online-Besuchs sein könnte, ob man sich einfach öfter gegenseitig besucht, das könnte man sich dann noch überlegen. Am besten in Gesellschaft – bin also auf Kommentare gespannt!
Und ein letzter Punkt: Die Diskussion nach dem Input hatte Sandra mit einem provokanten Tweet gestartet, ich habe noch zwei kurze Umfragen im Klassenzimmer hinterhergeschoben. Mein Eindruck war, dass diese Kombination (neben dem guten Input) gut geeignet war, die Diskussion in diesem Medium anzustoßen.

Lohnt sich das eigentlich?

„Lohnt sich gute Lehre“ war die einleitende Frage der LeLeCon-Arbeitstagung am 10.11 in Düsseldorf. Den Antworten wurde sich aus verschiedenen Richtungen genähert:

  • Was ist der Aufwand für Lehre? (Heiner Barz, Anna Schwickerath und meine Wenigkeit)
  • Wie belege ich gute Lehre wissenschaftlich? (Adi Winteler)
  • Wie kann ich durch gute Planung beeinflussen, dass sich etwas lohnt? (Claudia Bremer)
  • Können Anreizsysteme helfen, dass sich gute Lehre lohnt? (Ruth Kamm)
  • Wie lange lernen Studierende und lohnt sich das? (Rolf Schulmeister)
Die Langversionen der Antworten wird man vermutlich in Kürze in den Vortragsaufzeichnungen hören und sehen können, die wir auf der Tagung vorgenommen haben (dank an die Kolleginnen Michaela Kyere und Ute Clames für Idee, Organisation und Durchführung).


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Ich habe übrigens dank der Tagung nochmals ein paar Zeiterfassungstools angetestet und aktuell wieder laufen. Wieso? Wir hatten bei Projektstart verschiedenes ausprobiert, wie man denn Aufwand von Lehre erfassen könne. Leider passte damals nichts so richtig zu unseren Erwartungen (instabil / keine vorgefertigten Kategorien / zu großes Kontrollgefühl). Jetzt läuft während des Schreibens aber wieder die Uhr, weil ich es einfach spannend finde, so etwas ab und an mal zu dokumentieren.

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Aus Zeitgründen…also hier nur ein paar m.E. spannende Aspekte:
Forschung vs. Lehre
Die Trennung des Aufwandes für Lehre und Forschung scheint alles andere als trivial zu sein. Gerade wenn Zeit für Recherche des Lehrstoffs mit gerechnet wird, kann diese ja durchaus auch mal ein halbes Jahr betragen. Oder das Wissen ist ohnehin schon da (wie verrechne ich dann dessen Erwerb?). Zahlen die wir mit retrospektiven Erhebungen gewonnen hatten, ließen eine(n) ProfessorIn im Schnitt 72h / Woche mit der Lehre verbringen. Eine Anpassung der Methoden führte dann aber auch zu realistischeren Ergebnissen in einer Online-Erhebung.
PDF-Schleuder ist teuer
Was mich erstaunt hat: Der Aufwand für eSupport (Material bereitstellen, E-Mail-Kommunikation) war pro Veranstaltung höher als derjenige für eLearning (Online-Kommunikation, Contenterstellung, etc.). Kostet es zu viel Zeit, Folien als Lehrbücher zweckzuentfremden? Liegt es daran, dass anders (unter stärkerer Berücksichtigung hochschuldidkatischer Aspekte) geplant wird?
Was tun Studierende?
„Students learn from what they do“ (George D. Kuh) hob Adi Winteler hervor. Als Messinstrument hierfür empfahl er das NSSE. Auch wenn die Studiengänge danach selbst entscheiden müssten, wie sie die Ergebnisse interpretieren.
eLearning richtig planen
Der Frage ob sich eLearning lohne, verschloss sich Claudia Bremer: „Ich weiß es nicht, aber wenn sie es machen, sollen keine groben Fehler passieren“. Zwar werde die allgemeine Evaluation an der Universität Frankfurt bei eLearning-Veranstaltungen um spezielle Fragen zum Einsatz von eLearning-Tools ergänzt…und die eLearning-Veranstaltungen hätten bessere Evaluationsergebnisse….Die Kausalitätsbeziehung greife aber nicht. Wer eLearning macht, ist an Lehre interessiert, daher die besseren Ergebnisse.
Als Instrument für gutes eLearning nutzt man in Frankfurt den AKUE-Prozess (Analyse, Konzeption, Umsetzung und Evaluation) der z.B. auch eine Grob- und Feingliederung des Konzeptes umfasst sowie Angaben zur Bearbeitungsdauer. Leider sprachen wir auf der Tagung aber nicht mehr über diese Zahlen.
Lohnt sich der Austausch?
Ein Aspekt, der im eLearning immer wieder Zeitersparnis bringen soll: Austausch von Content, Dienstleistungen etc. Jetzt ist der Spruch, dass ein Lehrender sich eher eine Zahnbürste teilt, als einen Kurs, auch nicht mehr der neueste. Widerlegt ist er aber trotz vielversprechender Ansätze noch nicht. Um so mehr bin ich auf die Ergebnisse des Projektes Uni:prise gespannt. Vor allem weil hier monetäre und nicht-monetäre Austauschbeziehungen untersucht werden. Hatte RUBeL nicht auch mal monetäre Austauschbeziehungen etabliert? Und bei ILIAS gibt es bspw. eine technische Infrastruktur dafür.
Lehrpreise als Belohnung und Diskursbeschleuniger?
Lehrpreise können ein Belohnungsinstrument für gute Lehre sein und die Qualitätskriterien für gute Lehre diskutieren helfen, z.B. gemeinsam mit den Nominierten – so Ruth Kamm.
Forschung als Betreuung?
Zu Rolf Schulmeisters Vortrag nur zwei Aspekte, seine Ergebnisse zur Untersuchung des Zeitaufwandes / Workload im Studium ist ja vielerorts schon besprochen worden.
Seine Aussage, dass die Studierenden die tägliche Plausibilitätskontrolle der online eingegebenen Zeitpläne als Betreuung empfunden haben, macht mich nachdenklich. Ist die Unterstützung im Selbststudium wirklich so gering, dass es als Service empfunden wird, betreut zu werden? Kann das ein Ansatz sein, der die Hochschulforschung weiter voranbringt oder ist es nicht doch problematisch, wenn (Be)Forschung und Lehre derart verwischen?
Meide die Peers?
Besser verdauen muss ich auch noch eine Aussage aus einer ersten Clusteranalyse, die Schulmeister zur Ermittlung verschiedener Studierendentypen vorgenommen hat. Da fiel der erschreckende Satz: „Die schwächste Gruppe der Studierenden sucht die Unterstützung der Peers.“ Und offensichtlich wird diese Gruppe auch nicht besser. Ist dann alleine Lernen besser? Meidet die schwächste Gruppe der Studierenden einfach nur den/die Professorin / die Lehrenden und wendet sich ausschließlich an die Kommilitonen? Kann man hier mit Lerngruppen, die (negative) Peer-Orientierung in einen Vorteil wandeln? In jedem Fall könnte die weitere Auswertung neue Möglichkeiten zur Unterstützung erfolgreichen Lernens aufzeigen oder wissenschaftlich stützen. Denn die gebildeten Skalen bei Schulmeister erschienen mir ziemlich sinnvoll (u.a. Verantwortungsübernahme, Bedrohungswahrnehmung, Durchhalten, Emotionsregulation, Lernstrategien). Eine weitere Auswertung hofft Schulmeister auf der Campus Innovation präsentieren zu können.
Mit den Typen und Skalen bei der CHE-Quest konnte ich dagegen (noch) nicht so viel anfangen. Schulmeister kritisierte daran u.a. die Erhebung des Faktors „Fleiß“ durch Befragung.
Ach ja: Das Projektakronym LeLeCon steht übrigens für: Lehraufwand webbasierter Innovationen in der Hochschule – Blended Learning unter Aspekten des Bildungscontrollings.
Noch ein „Ach ja“: Die Antwort auf den zweiten Teil des letzten Aufzählungspunktes ganz zu Beginn des Blogposts lautete bei Schulmeister übrigens nein. Hier bin ich noch skeptisch.

Inspiration und Intervention

Für mich kulminierte das Symposium „Inspiration und Intervention – Aktivierende Hochschulforschung zur Hochschullehre“ vom 14.-15.7. an der TU Dortmund in der Diskussion, die ich besonders mit zwei Teilnehmerinnen hatte. Hier die diskutierten Fragen:
Wer profitiert davon, wenn Hochschulintervention und Hochschulforschung bei den gleichen „Versuchs-„personen durchgeführt wird? Muss sich jeder, der von hochschuldidaktischen Maßnahmen profitiert, auch beforschen lassen? Ist es vertretbar, dass man bei neuen Maßnahmen auch immer die Wirksamkeit / die Erfolge überprüfen möchte und dies der „Deal“ ist, den man für eine meist kostenlose Beratung oder Schulung eingehen könnte?
Zugegeben, sehr zugespitzte Fragen. Man kann da m.E. aber auch noch anders argumentieren: Wenn ich in meiner eigenen Hochschullehre neues ausprobiere – will und muss ich dann nicht auch in meiner Rolle als Wissenschaftler überprüfen, ob dieses Umsetzung sinnvoll war. Viele Wege führen dabei nach Rom – und um etwas kryptisch, sprachtheoreotisch zu werden: methodos ist ja auch der Weg zum Tempel…
Natürlich muss man hier aufpassen, dass man durch zusätzliche Forderungen nach „Beforschung“ nicht diejenigen verliert, die erst mal nur mit gehöriger Neugier und auch Zweifel neue Methoden und Ideen in der Lehre umsetzen wollen.
Spannend war in Dortmund darüber hinaus noch vieles anders, hier ein paar Schlaglichter:
Metin Tolan (Prorektor Studium) sprach von Fragen, die man früher nicht gestellt habe:
  • Warum sollte heute ein Student zur Vorlesung kommen, wo es doch das Internet gibt? (btw: Bei Vorlesungsaufzeichnungen ist das auch immer wieder eine Frage, die bisherigen Daten dazu finde ich aber eindeutig, z.B. Daten aus Hamburg, wo nur 13% der Studierenden die Aufzeichnung dem Vorlesungsbesuch vorzogen)
  • Wie lernt der Student dann in der Vorlesung?
Sascha Spoun (Präsident der Leuphana-Universität) stellte zunächst allgemeingesellschaftliche Thesen auf (z.B. „Die heutige Gesellschaft erfodert Persönlichkeiten, die Lernen als Lebenshaltung verstehen“), um dann Antworten u.a. in der beeindruckenden Startwoche der Leuphana und dem Leuphana-Semester zu finden.
Auch eine für mich überzeugende These: Wissenschaft hat ihre Kernkompetenz in den Methoden und zwar sowohl in Forschung und Lehre. Und Lehre dürfe man professionell betreiben, bei SFB sei das normal.
Bettina Hannover demonstrierte den Bezug zwischen Lehrorientierung und kompetenzorientierter Evaluation (z.B. nach BEvaKomp), vgl. hierzu auch einen Vortrag ihrer Kollegin Edith Braun. Wenn Studierende rückmelden, wie sie ihren Kompetenzzuwachs einschätzen, fallen a) die Evaluationen kritischer aus und b) richtet sich der Fokus der Dozierenden auf die Studierenden, wird studierendenorientierter.
Antonia Scholkmann berichtete vom Einsatz problembasierten Lernens (PBL) im gleichnamigen Projekt, das immer folgendes umfasst:
  • Kleingruppenarbeit,
  • strukturierter Prozess,
  • Alltagsnähe,
  • paradigmatische Problemstellung
Nachdem Stichproben- und Bildungsungleichheit ausgeräumt wurden, ergab sich ein leicht positiver Effekt für PBL bei dem im Projekt untersuchten Textverstehen. Die Pilotstudie zu dem Projekt kann man hier nachlesen.
Aus dem LeWi-Projekt berichteten Marion Kamphans, Brit-Maren Block, Jennifer Eickelmann über das Coaching von Lehrenden, darin entwickelte Mini-Interaktionen sowie die Selbsteinschätzung der Lehrenden über die Zielerreichungen. Ein Beispiel für eine Mini-Interaktion: Studierende sollten zu Beginn und am Ende einer Veranstaltung Zusammenfassungen geben. Durch Beobachtungen innerhalb der Lehrveranstaltungen konnte man sehen, dass Lehrpersonen Methoden auch für nachfolgende Sitzungen übernehmen.
Ein großer Vorteil dieses Vorgehens: Die Methoden werden im Gespräch passend zu dem Gesamtkontext entwickelt oder ausgewählt und angepasst.
Abschließend gab es Arbeitsgruppen zu den Themen „Lehrende bewegen“, „Nachhaltigkeit“ und „optimale Hochschulforschung.“ Eines der Ergebnisse: Der Ruf nach mehr Austausch, auch zwischen den verschiedenen Fachgesellschaften und einer Hochschulforschungs-Methoden-Tagung.
Vielleicht ist die diese kleine Reaktivierung meines Blogs mit diesem (wieder etwas längeren Tagungsberichts) ein kleiner Beitrag zum Austausch.
Wie verschiedene hochschuldidaktische Fragestellungen in quasi historischer Perspektive (1975) aussehen, zeigt Gabi Reinmann in ihrem heutigen Blogbeitrag – das passt hier insofern, als die Tagung ein hoffentlich erfolgreicher Schritt aus dem dort beschriebenen Problem sein wollte.

Aktive Studierende

Nach dem letzten Bildungsstreik geht es jetzt zunehmend darum, Studierende aktiv in die Reformprozesse einzubinden. Nicht umsonst ist das ja auch eine der Forderungen im Bolognaprozess. Ich gehe einfach mal davon aus, dass diese Einbindung ernst gemeint ist und man sich nicht nur die formale Bestätigung für bestehende Prozesse und Strukturen holen möchte.

In der Zeit wird passend dazu in einem großen Artikel diskutiert, ob die verfasste Studierendenschaft (bringt u.a. Haushaltsrecht) auch in Bayern und Baden-Württemberg eingeführt werden sollte.

Die CHE hat ein Paper mit „Anregungen zur studentischen Partizipation“ verfasst.

Mein – ganz subjektiver – Eindruck dazu ist allerdings, dass die Proteste weniger von den ohnehin organisierten Studierenden ausgingen, sondern dass es vor allem auch in Düsseldorf eher ein Protest war, der unabhängig von diesen seinen Anfang fand.

Das hieße, dass das CHE Paper in einigen Teilen mit seinen Forderungen zu kurz greift (warum s.u.). Da aber viel Richtiges dabei ist, hier eine kurze Zusammenfassung:

  • Diskussion über den Bildungsbegriff führen: Welche Vorstellung von Bildung stillt den „Bildungshunger“ der Studierenden? Wie unterschiedlich sind die Vorstellungen über das notwendige Angebot bei Studierenden, die noch einen Master anschließen wollen und denjenigen, die direkt mit dem BA in den Beruf wollen? Nicht alle teilen die Vorstellung von Bildungsinhalten wie „Reflexionsvermögen, Mut zum Querdenken, Fähigkeit zur Selbstorganisation“.
  • studentische Partizipation soll in Leitlinien verankert werden
  • Studierende, wählt Eure Vertreter!
  • Interessengemeinschaften zwischen Lehrenden und Studierenden bilden, die „Ideenmanagement“ betreiben
  • Lehrende an Gestaltungsspielräume erinnern: Prüfungsarten variieren, Prüfungstermine flexibilisieren, Curricula entschlacken
  • auf Qualität der Lehre Einfluss nehmen durch: Evaluationen sowie Bewertung der Vermittlungskompetenz bei Probelehrveranstaltungen von neu zu berufenen ProfessorInnen
  • Unterschiedliche Lehrformate für unterschiedliche Bedürfnisse verlangen
  • Controlling der Studienbeiträge hinsichtlich Betreuungsrelationen, stud. Zufriedenheit, Entwicklung der Sozialstruktur
  • Mentoring-Programme für Studienabschluss-Phase

Warum das zu kurz gedacht ist?

Die Vorschläge greifen zu wenig in den unmittelbar von Studierenden erlebten Alltag, in die Lehrveranstaltungen und Prüfungen ein.

Hier sollte nach hochschuldidaktischen Überlegungen die aktive Teilnahme, Einflussnahme und Mitgestaltung der Studierenden beginnen. Denn Lernen ist ein individueller, aktiver Prozess – anders formuliert: durch schlichtes zuhören lerne ich kaum. Bereits in den Lehrveranstaltungen sollten Studierende und Lehrende Interessengemeinschaften bilden, indem

  • die Lehrziele des Dozierenden und die Lernziele der Studierenden aufeinander bezogen werden.
  • so genannte Arbeitsbündnisse geschlossen werden.

Wenn Studierende über forschendes Lernen oder Prüfungsformate wie e-Portfolios stärker in den Wissenschaftsprozess eingebunden werden, können sie auch die Forschungs-/Hochschullandschaft besser verstehen und dadurch zumindest im Kleinen besser gestalten. Umgekehrt sind die Rahmenbedingungen von Lehre auch immer wieder Thema bei hochschuldidaktischen Fortbildungen, wenn Dozierende nach Freiräumen für didaktisches Handeln suchen (so z.B. bei meinem letzten Lehren und Lernen-Workshop).

Außerdem vermute ich, dass aktivierende Methoden generell zu (auch hochschulpolitisch) aktiveren Studierenden beitragen. Denn Studierende machen hier Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, haben also Erfolgserlebnisse, die sich z.B. bei Vorlesungen nicht einstellen, wenn sie einfach verkündetes Wissen mitschreiben.

Gestaltungsspielräume von Studierenden gehen/gingen aber eigentlich auch soweit, dass sie selbst Lehrveranstaltungen durchführen können. Auf dieses motivierende Erlebnis in der Fachschaft bezog sich auch Johannes Wildt vom hochschuldidaktischen Zentrum bei seiner Abschiedsrede auf der DOSS.

Bleibt noch das liebe Geld zu erwähnen: Eine Unterstützung der Studierenden in ihrer Abschlussphase erfolgt in Düsseldorf ab dem Wintersemester u.a. dadurch, dass das letzte Semester von den Studienbeiträgen befreit ist.

Stille – Hochschuldidaktik und eLearning

Jetzt ist es schon erstaunlich lange her, dass ich hier was geschrieben habe. Woran das liegt, habe ich leider noch nicht ausmachen können. Dafür ist dieser Beitrag recht lang geworden…hoffe auch entsprechend ergiebig.

Vielleicht war es ja ausbleibender Erkenntnisstau. Wies0? Der ist laut dem letzten Vortragenden bei der DOSS (Dortmund Spring School for Academic Staff Developers) etwas, das gerade für kreative Ideen notwendig ist. Anders erklärt: Wenn man nicht alles direkt im Netz nachschauen kann, fängt man an zu grübeln und entwickelt vielleicht kreative Ideen. Bin ich etwa zu oft online?
Hans Peter Voss hat uns damit dann auf der Rückfahrt von Dortmund nach Düsseldorf zum Nachdenken gebracht: Könnte man an der Uni so verfahren, wie dies Google angeblich tut: 20% der Arbeitszeit für Projekte lassen, die eigentlich nicht zur konkreten Arbeit der Mitarbeiter gehören, damit Innovationen entstehen können. Ich bin skeptisch: Die eigentliche Arbeit verschiebt sich dann wohl noch mehr in die Freizeit. Oder anders: Werden nicht an der Universität häufig arbeiten erledigt, die eigentlich nicht zu den Kernaufgaben gehören? Vielleicht kommt hierher ja unsere Innovationskraft…
Zurück zur DOSS mit ihrem Schwerpunkt fachübergreifende Hochschuldidaktik und Fachdidaktiken. Was ja gar nicht so weit ist weg vom Thema Kreativität. Schon zu finden in der Form der Durchführung der Tagung: Hier war vieles im besten Sinne hochschuldidaktisch, nämlich kreativ und vor allem aktivierend durchgeführt. Leider ja noch nicht immer üblich bei Tagungen.
Zunächst die Diskurswerkstatt „Aufbau virtuelle Communities“ von (Tamara Kuhn und Mandy Schiefner) in der wirklich problemorientiert an einer konkreten Community diskutiert und gearbeitet wurde. Frage: Wie kann man diese (erst vor kurzem gestartete) Hochschuldidaktik Community erfolgreicher machen? Für mich waren die wichtigsten Punkte der Arbeit an dem Problem: Vertrauen schaffen, Themenspecials (siehe e-teaching.org) einrichten und mit (informellen) Vor-Ort-Treffen verbinden. Mich jedenfalls hat die Diskurswerkstatt in die Community geführt. Aber auch die Mittags-Videos dort waren für mich ein Anreiz.
Überzeugt hat mich auch die Methode zur Lösungsfindung: Ein Ideenkarussel. Hier allerdings leicht abgewandelt: Kleingruppen arbeiten vor verschiedenen Postern. Bin gespannt wie sich die Community zur Hochschuldidaktik weiter entwickelt.
Mindestens ebenso spannend der kaum Vortrag zu nennende Beitrag von Franz Waldherr und Claudia Walter. Die Frage lautete hier: Wie bringt man Dozierende in einem Hochschuldidaktischen Seminar dazu, studierendenorientierte Maßnahmen zu verwenden? Der Weg zur Antwort: Zunächst jeder alleine drei Punkte überlegen, dann zu zweit auf drei einigen, dann zu viert … und schließlich im Plenum sammeln. Gut fand ich an der Vorgehensweise: Man wird in eigenen Ideen bestätigt, die auch von anderen kommen und gleichzeitig ist Platz für neue Ideen.

Aus eLearning-Perspektive interessant ist, dass die Referenten in ihre Fortbildungen zwei Online-Phasen integriert haben: Eine kurze Befragung vor der Fortbildung (wie viel Lehrerfahrung habe ich, wie lehre ich und wie habe ich am besten gelernt?). Nachher dann eine Online-Nachbetreuung. Man müsste mal überlegen, ob das auch hier passt. Letztes mal hatten wir innerhalb der Praxisphase eine Online-Phase eingerichtet, was auch gut passte. Was Walter und Waldherr noch berichteten: Neurodidaktik kam bei den Fortbildungsteilnehmerinnen gut an.

Ansonsten leider wenig Gelegenheit, weitere Panels zu besuchen, da ich erst ab Donnerstag dabei war. Dass ich am Mittwoch was verpasst habe (u.a. die Frage nach der Verortung von eLearning) habe ich dann (leider/zum Glück?) im Blog von Kerstin Mayrberger gelesen.

Dafür einige Bestätigungen und Anregungen in der eigenen Diskurswerkstatt erfahren: „Schnittstellen von eLearning und Hochschuldidaktik“. Zum Beispiel den geschärften Blick auf die Angst vor der Technik, die Anregung zu noch mehr Beispielen und die Bestätigung in einer Einführung nicht nach Fächern zu unterscheiden.

Bleibt noch zu erwähnen dass Johannes Wildt seinen Abschied vom HDZ nahm. Mit einem langen Ritt durch die Geschichte der Hochschuldidaktik seit den 70ern und damit durch die Phasen, die er maßgeblich mit geprägt hat. Die Literaturliste, die sich aus seinem Vortrag ergeben hat, werde ich bei Gelegenheit mal durcharbeiten.

Was mir vorher nicht bewusst war: Die Bezüge zur Friedensbewegung, seine Wurzeln in der studentischen Arbeit (wo er aus der Fachschaft heraus Seminare gestaltet hat) die Fachdidaktik und Fachkulturen, die er über tausende von Hospitationen kennen lernte. Sehe das u.a. als Argument für studentische Tagungen und studentische Einbindung! Und dafür, den Blick aufzumachen für Methoden anderer Fächer. Nicht umsonst kommt die von Johannes Wildt immer wieder aufgegriffene Moderationsmethode des Quickborner Teams aus der Unternehmensberatung und die Ishikawa-Methode aus der Qualitätssicherung.

Viele (alle?) Fächer nutzen hochschuldidaktische Methoden, wissen es nur manches mal nicht. Wer transparent macht, wo die Methoden herkommen, kann auch eventuelle Widerstände überwinden.

Widerstände gibt es wohl auch noch zwischen den Bereichen eLearning und Hochschuldidaktik, die sich aber zunehmend vermischen. Was nur sinnvoll sein, befassen sich doch beide mit Lehre und können sich gegenseitig befruchten. Siehe dazu auch den Blog von Sandra.

Mit einem wirklich mitreißend und wundervoll pathetischen Plädoyer für die Bildung möchte ich schließen. Vorgetragen hat es der Dortmunder Prorektor Walter Grünzweig. Hier also der Beginn des – in Dortmund wohl erstmalig übersetzt – vorgetragenen Essays von Ralph Waldo Emerson:

It is ominous, a presumption of crime, that this word Education has so cold, so hopeless a sound. A treatise on education, a convention for education, a lecture, a system, affects us with slight paralysis and a certain yawning of the jaws. We are not encouraged when the law touches it with its fingers. Education should be as broad as man.

So muss es sein!
P.S. Präsentationen der Tagung sollen wohl hier folgen: http://www.hdz.uni-dortmund.de/index.php?id=413