Für mich kulminierte das Symposium „Inspiration und Intervention – Aktivierende Hochschulforschung zur Hochschullehre“ vom 14.-15.7. an der TU Dortmund in der Diskussion, die ich besonders mit zwei Teilnehmerinnen hatte. Hier die diskutierten Fragen:
Wer profitiert davon, wenn Hochschulintervention und Hochschulforschung bei den gleichen „Versuchs-„personen durchgeführt wird? Muss sich jeder, der von hochschuldidaktischen Maßnahmen profitiert, auch beforschen lassen? Ist es vertretbar, dass man bei neuen Maßnahmen auch immer die Wirksamkeit / die Erfolge überprüfen möchte und dies der „Deal“ ist, den man für eine meist kostenlose Beratung oder Schulung eingehen könnte?
Zugegeben, sehr zugespitzte Fragen. Man kann da m.E. aber auch noch anders argumentieren: Wenn ich in meiner eigenen Hochschullehre neues ausprobiere – will und muss ich dann nicht auch in meiner Rolle als Wissenschaftler überprüfen, ob dieses Umsetzung sinnvoll war. Viele Wege führen dabei nach Rom – und um etwas kryptisch, sprachtheoreotisch zu werden: methodos ist ja auch der Weg zum Tempel…
Natürlich muss man hier aufpassen, dass man durch zusätzliche Forderungen nach „Beforschung“ nicht diejenigen verliert, die erst mal nur mit gehöriger Neugier und auch Zweifel neue Methoden und Ideen in der Lehre umsetzen wollen.
Spannend war in Dortmund darüber hinaus noch vieles anders, hier ein paar Schlaglichter:
Metin Tolan (Prorektor Studium) sprach von Fragen, die man früher nicht gestellt habe:
- Warum sollte heute ein Student zur Vorlesung kommen, wo es doch das Internet gibt? (btw: Bei Vorlesungsaufzeichnungen ist das auch immer wieder eine Frage, die bisherigen Daten dazu finde ich aber eindeutig, z.B. Daten aus Hamburg, wo nur 13% der Studierenden die Aufzeichnung dem Vorlesungsbesuch vorzogen)
- Wie lernt der Student dann in der Vorlesung?
Sascha Spoun (Präsident der Leuphana-Universität) stellte zunächst allgemeingesellschaftliche Thesen auf (z.B. „Die heutige Gesellschaft erfodert Persönlichkeiten, die Lernen als Lebenshaltung verstehen“), um dann Antworten u.a. in der beeindruckenden Startwoche der Leuphana und dem Leuphana-Semester zu finden.
Auch eine für mich überzeugende These: Wissenschaft hat ihre Kernkompetenz in den Methoden und zwar sowohl in Forschung und Lehre. Und Lehre dürfe man professionell betreiben, bei SFB sei das normal.
Bettina Hannover demonstrierte den Bezug zwischen Lehrorientierung und kompetenzorientierter Evaluation (z.B. nach BEvaKomp), vgl. hierzu auch einen Vortrag ihrer Kollegin Edith Braun. Wenn Studierende rückmelden, wie sie ihren Kompetenzzuwachs einschätzen, fallen a) die Evaluationen kritischer aus und b) richtet sich der Fokus der Dozierenden auf die Studierenden, wird studierendenorientierter.
Antonia Scholkmann berichtete vom Einsatz problembasierten Lernens (PBL) im gleichnamigen Projekt, das immer folgendes umfasst:
- Kleingruppenarbeit,
- strukturierter Prozess,
- Alltagsnähe,
- paradigmatische Problemstellung
Nachdem Stichproben- und Bildungsungleichheit ausgeräumt wurden, ergab sich ein leicht positiver Effekt für PBL bei dem im Projekt untersuchten Textverstehen. Die Pilotstudie zu dem Projekt kann man hier nachlesen.
Aus dem LeWi-Projekt berichteten Marion Kamphans, Brit-Maren Block, Jennifer Eickelmann über das Coaching von Lehrenden, darin entwickelte Mini-Interaktionen sowie die Selbsteinschätzung der Lehrenden über die Zielerreichungen. Ein Beispiel für eine Mini-Interaktion: Studierende sollten zu Beginn und am Ende einer Veranstaltung Zusammenfassungen geben. Durch Beobachtungen innerhalb der Lehrveranstaltungen konnte man sehen, dass Lehrpersonen Methoden auch für nachfolgende Sitzungen übernehmen.
Ein großer Vorteil dieses Vorgehens: Die Methoden werden im Gespräch passend zu dem Gesamtkontext entwickelt oder ausgewählt und angepasst.
Abschließend gab es Arbeitsgruppen zu den Themen „Lehrende bewegen“, „Nachhaltigkeit“ und „optimale Hochschulforschung.“ Eines der Ergebnisse: Der Ruf nach mehr Austausch, auch zwischen den verschiedenen Fachgesellschaften und einer Hochschulforschungs-Methoden-Tagung.
Vielleicht ist die diese kleine Reaktivierung meines Blogs mit diesem (wieder etwas längeren Tagungsberichts) ein kleiner Beitrag zum Austausch.
Wie verschiedene hochschuldidaktische Fragestellungen in quasi historischer Perspektive (1975) aussehen, zeigt Gabi Reinmann in ihrem heutigen Blogbeitrag – das passt hier insofern, als die Tagung ein hoffentlich erfolgreicher Schritt aus dem dort beschriebenen Problem sein wollte.