Aktive Studierende

Nach dem letzten Bildungsstreik geht es jetzt zunehmend darum, Studierende aktiv in die Reformprozesse einzubinden. Nicht umsonst ist das ja auch eine der Forderungen im Bolognaprozess. Ich gehe einfach mal davon aus, dass diese Einbindung ernst gemeint ist und man sich nicht nur die formale Bestätigung für bestehende Prozesse und Strukturen holen möchte.

In der Zeit wird passend dazu in einem großen Artikel diskutiert, ob die verfasste Studierendenschaft (bringt u.a. Haushaltsrecht) auch in Bayern und Baden-Württemberg eingeführt werden sollte.

Die CHE hat ein Paper mit „Anregungen zur studentischen Partizipation“ verfasst.

Mein – ganz subjektiver – Eindruck dazu ist allerdings, dass die Proteste weniger von den ohnehin organisierten Studierenden ausgingen, sondern dass es vor allem auch in Düsseldorf eher ein Protest war, der unabhängig von diesen seinen Anfang fand.

Das hieße, dass das CHE Paper in einigen Teilen mit seinen Forderungen zu kurz greift (warum s.u.). Da aber viel Richtiges dabei ist, hier eine kurze Zusammenfassung:

  • Diskussion über den Bildungsbegriff führen: Welche Vorstellung von Bildung stillt den „Bildungshunger“ der Studierenden? Wie unterschiedlich sind die Vorstellungen über das notwendige Angebot bei Studierenden, die noch einen Master anschließen wollen und denjenigen, die direkt mit dem BA in den Beruf wollen? Nicht alle teilen die Vorstellung von Bildungsinhalten wie „Reflexionsvermögen, Mut zum Querdenken, Fähigkeit zur Selbstorganisation“.
  • studentische Partizipation soll in Leitlinien verankert werden
  • Studierende, wählt Eure Vertreter!
  • Interessengemeinschaften zwischen Lehrenden und Studierenden bilden, die „Ideenmanagement“ betreiben
  • Lehrende an Gestaltungsspielräume erinnern: Prüfungsarten variieren, Prüfungstermine flexibilisieren, Curricula entschlacken
  • auf Qualität der Lehre Einfluss nehmen durch: Evaluationen sowie Bewertung der Vermittlungskompetenz bei Probelehrveranstaltungen von neu zu berufenen ProfessorInnen
  • Unterschiedliche Lehrformate für unterschiedliche Bedürfnisse verlangen
  • Controlling der Studienbeiträge hinsichtlich Betreuungsrelationen, stud. Zufriedenheit, Entwicklung der Sozialstruktur
  • Mentoring-Programme für Studienabschluss-Phase

Warum das zu kurz gedacht ist?

Die Vorschläge greifen zu wenig in den unmittelbar von Studierenden erlebten Alltag, in die Lehrveranstaltungen und Prüfungen ein.

Hier sollte nach hochschuldidaktischen Überlegungen die aktive Teilnahme, Einflussnahme und Mitgestaltung der Studierenden beginnen. Denn Lernen ist ein individueller, aktiver Prozess – anders formuliert: durch schlichtes zuhören lerne ich kaum. Bereits in den Lehrveranstaltungen sollten Studierende und Lehrende Interessengemeinschaften bilden, indem

  • die Lehrziele des Dozierenden und die Lernziele der Studierenden aufeinander bezogen werden.
  • so genannte Arbeitsbündnisse geschlossen werden.

Wenn Studierende über forschendes Lernen oder Prüfungsformate wie e-Portfolios stärker in den Wissenschaftsprozess eingebunden werden, können sie auch die Forschungs-/Hochschullandschaft besser verstehen und dadurch zumindest im Kleinen besser gestalten. Umgekehrt sind die Rahmenbedingungen von Lehre auch immer wieder Thema bei hochschuldidaktischen Fortbildungen, wenn Dozierende nach Freiräumen für didaktisches Handeln suchen (so z.B. bei meinem letzten Lehren und Lernen-Workshop).

Außerdem vermute ich, dass aktivierende Methoden generell zu (auch hochschulpolitisch) aktiveren Studierenden beitragen. Denn Studierende machen hier Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, haben also Erfolgserlebnisse, die sich z.B. bei Vorlesungen nicht einstellen, wenn sie einfach verkündetes Wissen mitschreiben.

Gestaltungsspielräume von Studierenden gehen/gingen aber eigentlich auch soweit, dass sie selbst Lehrveranstaltungen durchführen können. Auf dieses motivierende Erlebnis in der Fachschaft bezog sich auch Johannes Wildt vom hochschuldidaktischen Zentrum bei seiner Abschiedsrede auf der DOSS.

Bleibt noch das liebe Geld zu erwähnen: Eine Unterstützung der Studierenden in ihrer Abschlussphase erfolgt in Düsseldorf ab dem Wintersemester u.a. dadurch, dass das letzte Semester von den Studienbeiträgen befreit ist.

Ostern

Aus österlichem Anlass mal was ganz anderes:

Ein Blick auf Pontius Pilatus, den Michail Bulgakow 1928 in seinem wahnwitzig, obskuren und mitreißendem Roman „Der Meister und Margarita“ geworfen hat. Ich möchte hier gar nicht eingehen auf die Bezüge zu Faust, auf die wie selbstverständlich durch Moskau schreitende sprechende Katze oder den teuflischen Magier, der den Moskauern ihre moralische Verkommenheit in einer entblößenden Theatervorstellung vorführt.

Dafür kurz zu dem im Roman enthaltenen historischen Roman über Pontius Pilatus, welcher den Verfasser, den Meister (siehe Titel) in die Irrenanstalt bringt.

Zur Zeit der Kreuzigung Jesu ist Pilatus gefangen von politischen Machtstrukturen und der Einsamkeit als ein Herrscher, der die von ihm zu befriedende Provinz hasst und danach giert, einen Menschen zu finden, der seine Migräne und sein Leiden an der Welt lindert. So treffen Jesus und Pontius Pilatus zusammen.

Ein psychologischer Blick auf einen verzweifelten Täter, der um die Ruhe seiner Provinz besorgt, ganze Heerscharen von Reitern zur Kreuzigung aufbrechen lässt. In sengender Hitze bewachen die dann einen nahezu leeren Hügel.

Niemand hatte versucht, den Verurteilten zu befreien, weder in Jerschalaim, das von Truppen überschwemmt war, noch hier auf dem abgesperrten Hügel, und die Menge war in die Stadt zurückgekehrt, denn diese Hinrichtung war wirklich langweilig…

Nur ein Jünger (Levi Matthäus) hat sich – mit einem beim Bäcker gestohlenen Brotmesser in der Hand um Jesus zu erlösen, jedoch zu spät zum Eingreifen – im Schatten des Kreuzes eingefunden und kauert verloren in der Steinwüste.

Pilates dagegen träumt bis zu seinem Tod von nichts anderem, als von einem Wiedersehen mit dem aus seiner Sicht seelenverwandten Jesus.

Felicitas Hoppe lobt diesen (von ihr 3x gelesenen) Roman überschwänglich:

Der Roman erweist sich als fliegender Ritt durch den Wahnsinn, in dem er den Versuch einer gewaltsamen Abschaffung jeder Transzendenz anhand einer literarisch meisterhaft gestalteten Pilatusgeschichte mit der Passionsgeschichte Christi und der großen Anmaßung aller menschlichen Gerichtsbarkeit konterkariert: «Dieser Verbrecher (Pilatus über Jesus, F.H.) nennt mich ‹Guter Mensch›. Führen Sie ihn für einen Moment hinweg, und erklären Sie ihm, wie man mit mir zu reden hat. Aber schlagen Sie ihn nicht zum Krüppel.»

Soweit der österliche Ausflug in einen spannenden Roman.
Allen ein frohes Fest!
Demnächst hier auch mal wieder was zum Thema eLearning, Wissenschaft, Hochschule…versprochen. 😉

P.S. Zu diesem Roman gab es übrigens auch eine Aufführung im Düsseldorfer Schauspielhaus.