Tocotronic in Düsseldorf mit goldenen Worten

Ich war wirklich skeptisch: Das aktuelle Album „Schall und Wahn“ von Tocotronic klang in meinen Ohren zu brav, eher nach Songwriter, denn nach Rock und e-gitarren-gestütztem Widerstandsdiskurs. Zugegeben, die erste Single-Auskopplung „Macht es nicht selbst“ hatte noch was, u.a. auch einen Seitenhieb auf „Heim- und Netzwerkerei“.

Trotzdem war die Freude auf das Konzert gestern im Düsseldorfer Zakk mehr als getrübt.

Völlig zu Unrecht: Es gab Stadion-Rock auf kleinstem, intimen Raum. Die Gitarren wurden auch bei den neuen Stücken bis zum Ende ausgereizt, Dirk verneigte und reckte sich elegant ironisch in allen möglichen Posen. Gleich beim ersten Stück Saite gerissen bei Rick. Kurz Zeit nehmen zum Stimmen.

Dann jeder Song mit voller Wucht in die Halle gepresst, oft ohne Übergang in den nächsten hineinverzerrt. Wenn Dirk Songs einleitete, dann mit Worten wie diesen: „Reckt die linke Hand, ballt sie zur Faust und sprecht goldene Worte…!“ Was folgte war „Aber hier leben, nein danke“. Poetische Absage an die Anerkennung des Daseins.

Später „Let there be rock“ im Gesang so verlangsamt, dass es eines noch mehr wird: Hymne. Am Ende der zweiten Zugabe verlässt die Band die Bühne, Dirks Gitarre aber liegt einsam auf dem Verstärker und heult vor sich hin.

Stille – Hochschuldidaktik und eLearning

Jetzt ist es schon erstaunlich lange her, dass ich hier was geschrieben habe. Woran das liegt, habe ich leider noch nicht ausmachen können. Dafür ist dieser Beitrag recht lang geworden…hoffe auch entsprechend ergiebig.

Vielleicht war es ja ausbleibender Erkenntnisstau. Wies0? Der ist laut dem letzten Vortragenden bei der DOSS (Dortmund Spring School for Academic Staff Developers) etwas, das gerade für kreative Ideen notwendig ist. Anders erklärt: Wenn man nicht alles direkt im Netz nachschauen kann, fängt man an zu grübeln und entwickelt vielleicht kreative Ideen. Bin ich etwa zu oft online?
Hans Peter Voss hat uns damit dann auf der Rückfahrt von Dortmund nach Düsseldorf zum Nachdenken gebracht: Könnte man an der Uni so verfahren, wie dies Google angeblich tut: 20% der Arbeitszeit für Projekte lassen, die eigentlich nicht zur konkreten Arbeit der Mitarbeiter gehören, damit Innovationen entstehen können. Ich bin skeptisch: Die eigentliche Arbeit verschiebt sich dann wohl noch mehr in die Freizeit. Oder anders: Werden nicht an der Universität häufig arbeiten erledigt, die eigentlich nicht zu den Kernaufgaben gehören? Vielleicht kommt hierher ja unsere Innovationskraft…
Zurück zur DOSS mit ihrem Schwerpunkt fachübergreifende Hochschuldidaktik und Fachdidaktiken. Was ja gar nicht so weit ist weg vom Thema Kreativität. Schon zu finden in der Form der Durchführung der Tagung: Hier war vieles im besten Sinne hochschuldidaktisch, nämlich kreativ und vor allem aktivierend durchgeführt. Leider ja noch nicht immer üblich bei Tagungen.
Zunächst die Diskurswerkstatt „Aufbau virtuelle Communities“ von (Tamara Kuhn und Mandy Schiefner) in der wirklich problemorientiert an einer konkreten Community diskutiert und gearbeitet wurde. Frage: Wie kann man diese (erst vor kurzem gestartete) Hochschuldidaktik Community erfolgreicher machen? Für mich waren die wichtigsten Punkte der Arbeit an dem Problem: Vertrauen schaffen, Themenspecials (siehe e-teaching.org) einrichten und mit (informellen) Vor-Ort-Treffen verbinden. Mich jedenfalls hat die Diskurswerkstatt in die Community geführt. Aber auch die Mittags-Videos dort waren für mich ein Anreiz.
Überzeugt hat mich auch die Methode zur Lösungsfindung: Ein Ideenkarussel. Hier allerdings leicht abgewandelt: Kleingruppen arbeiten vor verschiedenen Postern. Bin gespannt wie sich die Community zur Hochschuldidaktik weiter entwickelt.
Mindestens ebenso spannend der kaum Vortrag zu nennende Beitrag von Franz Waldherr und Claudia Walter. Die Frage lautete hier: Wie bringt man Dozierende in einem Hochschuldidaktischen Seminar dazu, studierendenorientierte Maßnahmen zu verwenden? Der Weg zur Antwort: Zunächst jeder alleine drei Punkte überlegen, dann zu zweit auf drei einigen, dann zu viert … und schließlich im Plenum sammeln. Gut fand ich an der Vorgehensweise: Man wird in eigenen Ideen bestätigt, die auch von anderen kommen und gleichzeitig ist Platz für neue Ideen.

Aus eLearning-Perspektive interessant ist, dass die Referenten in ihre Fortbildungen zwei Online-Phasen integriert haben: Eine kurze Befragung vor der Fortbildung (wie viel Lehrerfahrung habe ich, wie lehre ich und wie habe ich am besten gelernt?). Nachher dann eine Online-Nachbetreuung. Man müsste mal überlegen, ob das auch hier passt. Letztes mal hatten wir innerhalb der Praxisphase eine Online-Phase eingerichtet, was auch gut passte. Was Walter und Waldherr noch berichteten: Neurodidaktik kam bei den Fortbildungsteilnehmerinnen gut an.

Ansonsten leider wenig Gelegenheit, weitere Panels zu besuchen, da ich erst ab Donnerstag dabei war. Dass ich am Mittwoch was verpasst habe (u.a. die Frage nach der Verortung von eLearning) habe ich dann (leider/zum Glück?) im Blog von Kerstin Mayrberger gelesen.

Dafür einige Bestätigungen und Anregungen in der eigenen Diskurswerkstatt erfahren: „Schnittstellen von eLearning und Hochschuldidaktik“. Zum Beispiel den geschärften Blick auf die Angst vor der Technik, die Anregung zu noch mehr Beispielen und die Bestätigung in einer Einführung nicht nach Fächern zu unterscheiden.

Bleibt noch zu erwähnen dass Johannes Wildt seinen Abschied vom HDZ nahm. Mit einem langen Ritt durch die Geschichte der Hochschuldidaktik seit den 70ern und damit durch die Phasen, die er maßgeblich mit geprägt hat. Die Literaturliste, die sich aus seinem Vortrag ergeben hat, werde ich bei Gelegenheit mal durcharbeiten.

Was mir vorher nicht bewusst war: Die Bezüge zur Friedensbewegung, seine Wurzeln in der studentischen Arbeit (wo er aus der Fachschaft heraus Seminare gestaltet hat) die Fachdidaktik und Fachkulturen, die er über tausende von Hospitationen kennen lernte. Sehe das u.a. als Argument für studentische Tagungen und studentische Einbindung! Und dafür, den Blick aufzumachen für Methoden anderer Fächer. Nicht umsonst kommt die von Johannes Wildt immer wieder aufgegriffene Moderationsmethode des Quickborner Teams aus der Unternehmensberatung und die Ishikawa-Methode aus der Qualitätssicherung.

Viele (alle?) Fächer nutzen hochschuldidaktische Methoden, wissen es nur manches mal nicht. Wer transparent macht, wo die Methoden herkommen, kann auch eventuelle Widerstände überwinden.

Widerstände gibt es wohl auch noch zwischen den Bereichen eLearning und Hochschuldidaktik, die sich aber zunehmend vermischen. Was nur sinnvoll sein, befassen sich doch beide mit Lehre und können sich gegenseitig befruchten. Siehe dazu auch den Blog von Sandra.

Mit einem wirklich mitreißend und wundervoll pathetischen Plädoyer für die Bildung möchte ich schließen. Vorgetragen hat es der Dortmunder Prorektor Walter Grünzweig. Hier also der Beginn des – in Dortmund wohl erstmalig übersetzt – vorgetragenen Essays von Ralph Waldo Emerson:

It is ominous, a presumption of crime, that this word Education has so cold, so hopeless a sound. A treatise on education, a convention for education, a lecture, a system, affects us with slight paralysis and a certain yawning of the jaws. We are not encouraged when the law touches it with its fingers. Education should be as broad as man.

So muss es sein!
P.S. Präsentationen der Tagung sollen wohl hier folgen: http://www.hdz.uni-dortmund.de/index.php?id=413