Vielleicht bin ich ein Logik-Nazi. Es nervt mich aber immer wieder, wenn ich in Artikeln Vergleiche und Bezüge finde, die zumindest imho nicht passen.
Aktueller Anlass: Rupert Murdoch in der FAZ: Bildung ist das letzte Reservat
Hier die Logik-Lücken + Kritikpunkte:
- Murdoch sieht eine Diskrepanz zwischen erwartbarem Zustand von Wirtschaftsnationen und aktuellem Zustand; „Für jedes Unternehmen geht es entscheidend um Humankapital – wie man es findet, entwickelt und pflegt.“ Technischer Fortschritt sorge überall für mehr Produktivität. Dies [was genau?] gelte für alle Bereiche des Lebens außer der Schule.
Was stört mich?: Der Zustand der Wirtschaftsnationen ist kein Lebensbereich. Er wirkt sich nur (vermutlich) auf verschiedene Lebensbereiche aus. Wieso werden hier Unternehmen mit Schulen verglichen? Murdoch führt keinen Grund dafür an, sondern wechselt einfach so in einen neuen Lebensbereich.
Was dahinter steckt: Entwicklung von Humankapital ist – in dieser Denkweise – die vordringlichste Aufgabe von Schulen. Wirtschaftsnationen sind nur so stark wie ihre Bürger – bzw. Arbeitskräfte, die wiederum gut ausgebildet sein müssen. Dies findet sich bei Murdoch aber nur implizit.
- Angeblich hat sich in den letzten 15 Jahren an Schulen nichts verändert. „Unsere Schulen sind der letzte Hort, der sich der digitalen Revolution widersetzt.“
Was stört mich?: 1. Es liegt nahe, dass Murdoch von amerikanischen Schulen spricht. Dann sollte man das aber (auch in einem provokanten Essay) sagen! 2. Woran macht er fest, dass sich nichts verändert habe? Gar nicht. Er behauptet es einfach. Dass es bspw. im deutschen Schulsystem enorme Veränderungen gab, z.B. was Prüfungen, Bildungsstandards…angeht sei hier nur am Rande erwähnt. 3. Es geht dann also doch ausschließlich um die digitale Revolution. Davon ist in der Einleitung des Artikels aber gar nicht die Rede!
Was dahinter steckt?: Vielleicht geht es nur darum, Content (des eigenen Medien-Imperiums) in die Schulklassen zu bekommen. Immerhin ist das Beispiel über die Veränderung der Arbeit eines Redakteurs das einzige schlüssige.
- Geld ist keine Lösung!
Was mich stört? „Es hat nicht funktioniert“, schreibt Murdoch. Von den Zielen der Investition, der Verwendung der Mittel (Personal, Infrastruktur, Reformen, Projekte) nicht ein einziges Wort. Nur als Begründung: Das System sei eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Lehrer und Verwalter. Deshalb sei alles verpufft.
- Phantasie der Kinder anregen – nicht mit Geräten, sondern mit Software.
Was mich stört?: Schön, dass Murdoch nicht behauptet, Computer würden an sich kreativ machen. Erschreckend, dass er dann einfach die Software als Lösung propagiert. Als Beispiele bringt er die Vermittlung von Inhalten über einen bekannten Fußballstar oder führende Flugzeugingenieure. Mit Software hat das zunächst noch nichts zu tun (wohl aber sein späteres damit unverbundenes ipad-Beispiel). Und kreativ sind in diesem Beispiel nur a) Murdoch und b) der Fußballstar/die Flugzeugingenieure.
Was dahinter steckt?: Nur ein Wort: Medienimperium?
- „In Medien und Technologie haben wir gelernt, wie man gezielt kleine Gruppen erreicht, wie man die Abrufhäufigkeit von Websites maximieren kann und wie man personalisierte Newsfeeds anbietet.“
Was mich stört?: Schreiben haben wir dort wohl nicht gelernt. „IN“ Medien und Technologie lernt man nix. Oder ist das eine Zeitschrift, eine Lernreihe….? Und personalisiertes Lernen ist aus pädagogischer Sicht durchaus nichts neues. Der Frontalunterricht mit Alterskohorten ist über die gesamte Geschichte der Pädagogik gesehen sogar ziemlich jung (vgl. bspw. Terhart, Didaktik, Eine Einführung).
- Alle müssen heute den Stoff im gleichen Tempo lernen.
Was mich stört?: Mit „Stoff“ ist Murdoch insgesamt antiquierter, als er denkt. Geht es nicht doch schon in Schulen um Kompetenzen? Und natürlich (s.o.) kann das individuell verschiedene Lerntempo ein Problem sein. Aber dafür gibt es viele Lösungsansätze (nicht nur eine personalisierte Lese(!)liste). Ein Beispiel: Freiarbeit.
- Alle sollen den besten Lehrer/Experten haben können.
Was mich stört?: Die Forderung müsste eigentlich lauten: Alle Lehrer/Experten sollen Ihre Kurse und Materialien frei im Netz anbieten. Das kann man zumindest als bildungspolitisches Ideal vertreten / verfolgen wollen. Aber wer der/die Beste ist – wer soll das nach welchen Kriterien bestimmen?
Was dahinter steckt?: Es geht weiter darum, Inhalte zu verkaufen. Murdoch spricht von verschiedenen prominenten Wissenschaftlern oder Praktikern (nicht Lehrern!), die in einem Klassenzimmer versammelt werden könnten…“für den Preis, den wir für den Download eines Songs bezahlen.“
- Murdoch will keine Lehrer durch Technologie ersetzen, sondern „öde Routinen abnehmen“.
Was mich stört?: Entschuldigen Sie bitte, Herr Murdoch. Welche „öden Routinen“ sollen denn abgenommen werden? Ihre Beispiele klingen für mich nach öde Routinen=Unterrichten!
- Unklare Beispiele!
Was mich stört?: Nachhilfelehrer würden in Korea so viel verdienen wie Filmstars – Wer denn? Von welchem Gehalt sprechen wir denn? Ich möchte so etwas auch nachlesen/nachprüfen können! Eine Schule, in der „ausgerechnet“ wird, was jeder einzelne Schüler zu lernen hat und wie! Wie ist das denn gemeint? Zehn Seiten hat er schon gelesen (gelernt?!) und er muss noch 5? Durchschnittswerte in Testprofilen als Grundlage? Für mich klingt das nach einem sehr quantitativen Verständnis von Lernen.
Empfehlen möchte ich noch allen den Schlussabsatz von Murdochs Artikel. Dazu hier nur noch Stichworte:
- Rausfinden, was am besten funktioniert
- Alles zusammentragen
- sein Unternehmen will sich engagieren
- kein Kind soll marginalisiert werden
Hoffe mal, dass eine von Murdoch finanzierte Stiftung das konkret tut. Vermutlich aber eher nicht, denn (s.o.) Geld ist keine Lösung.
Disclaimer: Möglich, dass die ein oder andere meiner Anmerkungen im Originaltext weniger greift. Vermute nicht, aber ich habe da nicht nachgelesen. Und dass kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin nicht gegen den Einsatz von Ipads, Internet…in Schulen.