Besondere Anforderungen an Innovation in der Hochschullehre – Organisationseinheit und Co

Mal hieß es Akademie für Lehre, dann war von Lehrgemeinschaft die Rede (allerdings nicht von denjenigen, die das Thema vorangetrieben haben), nun soll eine  „Organisationseinheit“ „Innovation in der Hochschullehre“ kommen. Heute ist die Frist für die Interessensbekundung bei der GWK. Daran geknüpft sind viele Hoffnungen, wie Johannes Wildt und Karoline Spelsberg Papazoglu in einem Gastbeitrag bei Jan-Martin Wiarda deutlich gemacht haben. 

Das kann man nur unterstützen – und ein paar Aspekte betonen die ich von beiden dort nicht gelesen habe, die aber für eine solche Organisationseinheit wichtig werden, wenn dieses Gebilde mehr sein soll, als ein bürokratisches Ding, das nur der Form nach Innovationen in der Lehre voranbringen soll. Dazu gehört nicht zuletzt – auch die Frage nach einem weniger uninspirierten Namen (vgl. dazu die etwas heitere Twitterdiskussion hier). 

  1. Die Sache selbst misslingt

Lehre ist – wie alle Bildungsprozesse – mit einer hohen Mißerfolgswahrscheinlichkeit verbunden. Inwiefern das Intendierte (im Idealfall Bildung) erreicht wird, ist enorm komplex, kontextabhängig, kontingent und ein gemeinsames Resultat des Zusammenspiels ganz verschiedener Personen (im mikro-Bereich von Lehrenden und Lernenden/Studierenden), die auf jede Handlung und Situation mit vielfältigen Mustern, Motiven, Handlungen und Nichthandlungen reagieren und agieren. In der Pädagogik spricht man auch von Technologiedefizit: Legt man einen Schalter um, kann man nicht sicher sein, dass das Licht angeht. Technologien funktionieren so, Menschen nicht. Damit muss sich die Organisationszeit kritisch auseinandersetzen. Das ist ein, wenn nicht der Kern der in diesem Bereich angemessenen Transferfragen. Wenn das die neue Organisationseinheit unter den Tisch fallen lässt, läuft sie leer. Weitere Personen im third-space (Qualitätsmanagement, Hochschuldidaktik, Dekan*innen, Hochschulforscher*innen, Bildungsforscher*innen – wenn man sie extra in den Blick nimmt und dabei nicht die Praktiker und Forschenden der Hochschuldidaktik vergisst, vgl. auch die Akteure aus dem offenen Brief der dghd an die GWK auf S. 2). Die Sache der Bildung selbst misslingt….oft, zunächst, zumindest in der Breite, die neben Selektion und Allokation der Auftrag einer Bildungseinrichtung ist. Diesen Bremsschuh gilt es zu berücksichtigen, ohne deshalb untätig zu werden / zu bleiben.. 

  1. Welche Kompetenzorientierung hätten Sie gern?

Ansprüche daran und Verständnis davon, was gute Lehre ist, sind sehr divers. Das beginnt schon bei Begrifflichkeiten wie den von Wildt & Spelsberg-Papazoglou im Gastbeitrag bei Jan-Martin Wiarda angesprochenen shift from teaching to learning, bei der Studierendenzentrierung, der Kompetenzorientierung, usw.. Und das hat mindestens zwei Seiten:  

Die A-Seite: die Übersetzung in den Lehralltag ganz unterschiedlich denkender Disziplinen (mit ihren Sprachcodes), z.b. wenn Studierendenzentrierung als Kundenorientierung übersetzt wird, gleichzeitig mit Kunde kein bloßer Konsument gemeint ist. Oder wenn Kompetenzorientierung gesehen wird als (neoliberaler) Versuch, hohen Bildungsziele, Bildung als Selbstzweck, als Persönlichkeitsentwicklung zu unterlaufen. 

Die B-Seite: die sehr weichen Definitionsgrenzen, mit denen – nicht nur – in der Hochschuldidaktik (HD) z.T. agiert wird. Vermutlich auch, weil sich die immer noch mehrheitlich im Projektstatus befindliche Hochschuldidaktik (eine empirische Untersuchung der nachhaltigen Verankerung von HD-Einrichtungen und Stellen sowie Anzahl und Status  freiberufliche tätiger HDler“innen liegt bislang nicht vor – disclaimer: bei uns an der TH gibt es eine solche nachhaltige Verankerung) aus strategischen Gründen an lokal vorherrschende Vorstellungen anpassen will oder muss. Eine Organisationseinheit – mit stärkerer Einbindung der Hochschuldidaktik, wenn nicht gar Gestaltung durch die Hochschuldidaktik, und der unter 1 genannten Akteure könnte sich der Aufgabe annehmen, diese begriffliche  Grundlage für Transfer zu unterstützen, dann muss man sich immer noch der Problematik aus 1 stellen.

3. Hochschuldidaktiker*innen als besondere Expert*innen – in (besonderer) Kooperation

Das Feld der Hochschulentwicklung – die Akteure der Hochschuldidaktik zeigen es – ist aus vielen verschiedenen Bezugsdisziplinen „gebaut“. Um wirksam und anschlussfähig sein zu können, ist der Anspruch an Wissenschaftlichkeit wichtig (vgl. bspw. Salden 2019). Vielleicht als (zukünftige) Disziplin, aber vor allem als ein Wissenschaftsgebiet, das interdisziplinär, transdisziplinär und infradisziplinär (Dank für den Begriff, dem hoffentlich noch eine Veröffentlichung folgt, an Rüdiger Rhein) agieren muss. Das hieße mit dem Fach gemeinsam auch das Fach verändernd – insbesondere in der Lehre. Dies können Hochschullehrende allein nur begrenzt leisten, weil sie einerseits in ihrem Fach fest verankert sind und andererseits nicht die Ressourcen für hochschuldidaktische Überblicke, Vergleiche etc. aufbringen können. Wildt & Spelsberg-Papazoglou sprechen von Prozesspromotoren. Was diese – z.T. in Abgrenzung zu Hochschullehrenden, in Überschneidungen und gemeinsam – an Expertise einbringen können, hat die Kommission Weiterbildung der dghd in dem Papier “Wer macht was? Rollen und Kompetenzprofile für hochschuldidaktisch Tätige” eindrucksvoll zusammengestellt. In politischen Diskussionen und Programmen, bleiben diese (also wir) immer wieder  ungenannt. Die Verzahnung in einer Organisation – die im Netzwerkcharakter schon vielfach erfolgt – könnte ein entscheidender Faktor für die systematische Entwicklung der Hochschullandschaft sein.

  1. Das geht hier nicht – Rahmenbedingungen und Regelunge

Dass viele Innovationen – wenn sie wirksam werden sollen, bloße Ideen sind keine Innovatione – wegen verschiedener Rahmenbedingungen und Regelungen nicht auf die Strecke kommen, ist leider so klar wie problematisch. Das aber nur kurz angerissen:  Kapazitätsverordnungen, die es erschweren, bestimmte Sachen in der Fläche umzusetzen; wenig Anreize für Lehrende gute Konzepte weiterzugeben; Befristungen im Mittelbau als Hindernis sich langfristig zu engagieren (warum sollten Lehrende sich in den Gremien z.B. für Studiengangsentwicklung engagieren, wenn die Umsetzung des Beschlossenen jenseits ihrer Vertragslaufzeiten liegt….

  1. sollen, können, wollen, dürfen als Voraussetzung für change 

Oftmals widersprechen sich im System verschiedene der für Change hilfreichen Dimensionen. Soll ich, kann ich, will ich, darf ich. Unwillen scheint mir seltener ein Hindernis. Oftmals beissen sich offizielle Anforderungen und (versteckte) Verbote. Oder Fähigkeiten sind da, werden an der vorhandenen Stelle aber nicht gewollt. Und, und und. Apropos: Diese Dimensionen habe ich aus Gesprächen und Workshops mitgenommen, mich aber nicht weiter um Zitate dafür gekümmert. Wer also die Systematik wiedererkennt und zuordnen kann, möge sehr gerne entsprechend mit Quellenhinweis unter diesem Post kommentieren. Würde mich sehr freuen!

Bleibt ein letztes kritisches Wort zu Innovationen: Gute Lehre, sich entwickelnde Lehre kann nicht Veränderung um jeden Preis sein. Innovationen laufen in diesem Bereich schnell Gefahr, nur für ganz spezifische kleine und ohnehin experimentelle Settings entwickelt zu werden. Es wäre ja – auf anderer Ebene – sehr innovativ mehr das Bewährte zu bewahren (und abzusichern), das zu erkunden was gut ist, zu erforschen warum es schon gut ist und diese Erkenntnis (mehr) zu nutzen, um anderes zu verbessern. 

Dank an Cornelia Kenneweg für den Mailaustausch zum Thema – zugegebenermaßen vor einiger Zeit. Wünschte ich hätte den Beitrag schon früher veröffentlichen können, aber manches braucht halt Zeit, ist trotzdem noch unfertig, auch wenn es wichtige (politische) Deadlines als Bezugspunkte gibt.