Angewiesen auf Wissenschaftlichkeit

Sorry, aber ernstgenommen kann die Antwort auf die Frage

was ein Hochschulstudium ausmacht und was davon warum digitalisierbar ist oder warum nicht

nur Folgende sein: Die Einheit von Forschung und Lehre! (zumindest auf den ersten Teil der Frage). Ein Hochschulstudium bereitet (siehe auch die Folien hier) „auf berufliche und gesellschaftliche Handlungsfelder vor, die auf Grund ihrer Komplexität auf Wissenschaftlichkeit angewiesen sind“ (HRG, HZG NRW).

Ich/Man soll also im Hochschulstudium Wissenschaft erlernen, am besten in dem ich Wissenschaft betreibe und darüber einen wisssenschaftlichen Zugang zu gesellschaftlichen und beruflichen Fragen entwickeln. Dieser wissenschaftliche Zugang bedeutet auch, dass es nicht nur um Problemlösungen geht, sondern darum sich in neuen Situation nicht nur adaptiv, sodern „transformativ“ zu verhalten (vgl. Reis 2014, S.95f), indem man nicht nur Lösungen findet sondern auch Probleme neu gestaltet, interpretiert und verändert. Um das zu können, muss ich selbst forschend aktiv werden. Wie viele Ansätze und Ausprägungen je nach Fach, Hochschule, didaktischem Konzept, etc. es dazu gibt, das wäre mindestens einen eigenen Blogpost wert, einiges findet man bspw. in der AG Forschendes Lernen. Indem es in der Lehre dann nicht darum geht, vorhandenes Wissen zu übertragen, sondern forschend (neue) Erkentnnisse zu produzieren, greifen einige Modelle der Digitalisierung nicht. Deutlich wird dann auch, dass OER im Hochschulbereich immer auch OA mit einschließen muss oder die OER vor allem auch OEP meinen und einen Forschungsbezug haben muss . Ich fände es aber als Experiment immer noch einen Forschungs-Mooc spannend, hatte darüber auch schon mit prominenten MOOC-Akteurinnen mal gesproche, die Überlegung aber nicht weiter verfolgt. Der exif-MOOC an der Fernuni-Hagen kam dem schon recht nahe, nur war das Ziel dort, wenn mich nicht alles täuscht ja nicht, im MOOC selbst forschend tätig zu werden.

Die Einheit von Forschung und Lehre lässt sich also grundsätzlich schon (in Teilen) digitalisieren, je nach Forschungsfragen und Forschungsobjekten sind Teile der Vorgehensweise aber prinzipiell nicht im Gesamten digitalisierbar (wenn ich konkret in der anwendungsorientierten Forschung etwas entwickeln oder Formen will, das Materie hat bspw.; zu Materie und Digitalem kritisch auch weiter unten). Gleichzeitig liegt viel Potential darin, Forschung digital stärker so zu dokumentieren oder zu gestalten, dass sie aufeinander aufbaut, widerlegt werden kann, transparent ist. Zu Open Science hat sich ja gerade Oliver an vielen Stellen geäußert. Wenn dabei Studierende beteiligt sind, kann das aber auch neue nicht unproblematische Herausforderungen mit sich bringen, da (web-)öffentliche Fehler noch nicht von jedem als positive Entwicklungen angesehen werden.

In Forschung stark zu sein und das mit in die Lehre zu übernehmen oder aus einer starken Lehre die Forschung anzuregen ist (neben der rechtlichen Hoheit über bestimmte Zertifikate) imho ein strukturelle Stärke der Hochschulen. Strukturell bedeutet hier aber auch, dass es ein Ideal ist, nicht unbedingt immer Praxis (deutlich dazu Tenorth, der diese Einheit als „Leitbild und Fiktion“ (ebd. 2010, S. 128) sieht). Folglich müssen die Hochschulen diese Verbindung stärker ernst nehmen und sowohl Lehre als auch Forschung möglichst professionell, d.h. wissenschaftlich betreiben (so Prenzel in einer Keynote bei der Tagung Studienreformprojekte in Sprach-, Literatur-, Geschichtswissenschaften), nach gleichen bzw. vergleichbaren Standards. Dies wäre auch eine Kernkompetenz, die Hochschulen in der Auseinandersetzung mit der Disruption von Geschäftsmodellen (vgl. dazu bspw. Matthias Andrasch hier) weiter stärker sollten.

Das heißt aber auch, dass wir an den Hochschulen das Studium so gestalten, dass eine spezielle akademische Kompetenz entwickelt werden kann, die folgende Eigenschaften hat bzw. (mit Blick auf die letzten beiden Punkte) vorbereitet auf:

Reinmann, Gabi (2015): Prüfungen und Forschendes Lernen. In: H. A. Mieg und J. Lehmann (Hg.): Forschendes Lernen: Programmatik und Praxis. Online verfügbar unter: Reinmann, Gabi (2015): Prüfungen und Forschendes Lernen. In: H. A. Mieg und J. Lehmann (Hg.): Forschendes Lernen: Programmatik und Praxis, S. 1 URL: http://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2014/12/Artikel_Pruefungen2_ForschendesLernen_Dez14_Preprint.pdf [04.07.2016].

Schaper, Niclas (2012): Fachgutachten zur Kompetenzorientierung in Studium und Lehre. Unter Mitarbeit von Oliver Reis, Johannes Wildt, Eva Horvath und Elena Bender. Hg. v. HRK. HRK, S. 22f. URL: https://www.hrk-nexus.de/fileadmin/redaktion/hrk-nexus/07-Downloads/07-02-Publikationen/fachgutachten_kompetenzorientierung.pdf, [04.07.2016].

Wick, Alexander (2011): Akademisch geprägte Kompetenzentwicklung: Kompetenzorientierung in Hochschulstudiengängen. Heidelberg: HeiDOK, S. 5f. URL: http://archiv.ub.uniheidelberg.de/volltextserver/12001/1/Wick_Akademisch_gepraegte_Kompetenzen.pdf [04.07.2016].

Reis greift dies auf und formuliert weiter „Damit  ist  jeder  Vorstellung  von  Kompetenz der Boden entzogen, die Kompetenz als abstrakte Selbstorganisationsfähigkeit begreift oder auch als bloßes funktionales Verhaltenslernen.“ (Reis 2014, S. 27). Ich brauche also immer disziplinäre „Objekte“, mit/an denen ich akademische Kompetenzen entwickel. Und dabei hat dann „Bildung mit der (Entwicklung der) Bereitschaft zu tun, mit dem Bereich des Nichtwissens in dauerhaften Kontakt zu treten.“ (Reichenbach 2011, S. 11).

Wenn man diese Überlegungen mitgeht, schließt sich die Frage an: Was davon lässt sich digitalisieren? Wenn das „Exploring“ von dem Jöran schreibt so etwas wie forschendes Erkunden meint, dann scheint es dabei wichtig zu sein, dass die Lernenden beieinander sind. Da bin ich dabei. Wenn es ein gemeinsame Forschen meint, im Sinne einer Einheit von Forschung und Lehre, macht es da imho aber keinen Sinn, die Lehrenden aus dieser Gemeinschaft der Forschenden auszuschließen. Abgesehen davon gäbe es auch noch weitere Gründe, aber die führen mich von meiner These weg. 😀

Und wenn Markus davon schreibt wie sich mit cmoocs „Menschen und Themen kreativ zusammenbringen und eine Dynamik entwickeln [lässt], die der diskursiven Kultur des Seminars nahe steht.“ Dann bedarf das für mich immer noch eines (gemeinsamen) Impulses, eines Ortes, von dem das gemeinsame forschende Miteinander ausgehen kann, zumindest meist (teil)präsent.

Für die Verbindung von Forschung und Lehre kenne ich zumindest (noch) keine guten alternativen Herangehensweisen.

Und das ganze erfolgt (auch) vor dem Hintergrund, dass die Hochschulen frei in Forschung und Lehre sind, d.h. selbst Themen setzen und verfolgen und dabei der Wahrheit verpflichtet sind. Inwiefern sie dann dafür digitale Infrastruktur nutzen sollten, die einer anderen Verwertungslogik folgen, sehe ich auch kritisch (und blogge gerade trothzdem nicht in einer eigenen WordPress-Installation….). Dinge zu Ende zu bearbeiten, wohl wissend das Wissenschaft ein grundsätzlich unabschließbarer Prozess ist, sei es als theoretische oder experimentelle Konstrukte und dabei auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und zu gestalten ist etwas, was ein Hochschulstudium ausmacht und auch im Digitalen erfolgen sollte, Betonung auf auch. Nicht zuletzt weil sich hier ganz neue Potentiale der Erschließung von Welt ergeben (werden), von digitalisierter und nicht digitalisierter Welt. Aber vielleicht ist diese Unterscheisung ja ohnehin schwierig, wenn es die Digitaliserung gar nicht gibt, wie Aleks Scholz und Kathrin Passig schreiben.

Weitere Quellen:
Reichenbach, Roland: Bildung und Kompetenz. Variationen zum Begriff des »trägen« Wissens. In: AVM-aktuell 2011 (1), S. 9–16. Online verfügbar unter http://a-m-v.ch/wordpress/wp-content/uploads/2011/03/Reichenbach-Manuskript.pdf, zuletzt geprüft am 09.05.2016.

Reis, Oliver (2014): Systematische Theologie für eine kompetenzorientierte Religionslehrer/innenausbildung. Ein Lehrmodell und seine kompetenzdiagnostische Auswertung im Rahmen der Studienreform. Univ., Diss.–Zugl.: Bochum, 2013. Berlin: LIT (Theologie und Hochschuldidaktik, 4).

Tenorth, Elmar (2010): Was heißt Bildung in der Universität? Oder: Transzendierung der Fachlichkeit als Aufgabe universitärer Studien. In: die hochschule (1), S. 119–134. Online verfügbar unter http://www.hof.uni-halle.de/journal/texte/10_1/Tenorth.pdf, zuletzt geprüft am 12.06.2016.

Dies ist ein Beitrag zur „Blogparade: Was macht ein Hochschulstudium aus?“ initiiert von Oliver Tacke.

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