6 Thesen zu (c)moocs (in den Medien)

Oh das wurde ja mal wieder Zeit: Bloggen nachdem ich  gut anderthalb Jahre hier nichts mehr geschrieben habe. Mal schauen ob’s noch geht….Das Backend von Blogger sieht schon mal ganz anders aus, eher wie google-drive. Das sollte aber kein Hindernis sein.
Der Anlass: Große Berichterstattung in verschiedenen Medien zum Thema moocs – oder vielleicht doch zum Thema Bildungsexpansion, Einsparmöglichkeiten und mediengestützte Lehre? Jedenfalls verwischt da einiges, das ich versuchen wollte ein wenig (auch für mich) zu sortieren und manches finde ich zumindest diskussionswürdig.

Vor meinen 6 Thesen:
Eine gute Übersicht zu den verschiedenen mooc-Typen und generell zum Thema gibt es hier: http://www.e-teaching.org/lehrszenarien/mooc
Und einen guten Einstieg zur Medienberichterstattung bietet auch Joachim Wedekind in seinem Blog:
http://konzeptblog.joachim-wedekind.de/2013/03/14/moocs-so-und-so-gesehen/

These 1 – Nicht einfach preiswerte Bildung für jeden
In der medialen Berichterstattung zu den moocs wird einerseits häufig die Demokratisierung von Bildung ausgeführt, andererseits aber auch zunehmend deutlich, dass kommerzielle Interessen hinter dem Angebot von moocs stehen. Sicherlich ist dies sehr differenziert zu sehen, weil es sehr viele unterschiedliche Modelle von moocs gibt, trotzdem will ich hier mal die m.E. problematischen Aspekte herausgreifen:

moocs als Ersatz
So schreibt die Zeit, dass die moocs der Elitehochschulen teilweise Grundkurse ersetzen

Staatliche Hochschulen wie etwa die San José University kaufen diese Kurse und ersetzen damit ihre Grundkurse – um mehr Menschen mit akademischer Bildung zu erreichen, die Durchfallquoten zu senken und gleichzeitig Geld zu sparen.

Auch wie Hochschulpräsidenten sich die konkrete Umsetzung vorstellen, weiß die Zeit:

Manch ein Hochschulpräsident denkt daran, wie sich durch die Verlagerung von Vorlesungen ins Netz Kosten für Personal und Räume sparen ließen. Zugleich eröffnen die Mooc neue Einnahmequellen. Die Idee: Unis liefern die Inhalte, private Firmen stellen sie auf ihre Plattformen und beteiligen die Hochschulen an den Erlösen.

Wenn hierbei allerdings allein auf die moocs gesetzt wird (vgl. These 5), frage ich mich, ob die Durchfallquoten tatsächlich gesenkt werden können. Wenn ja, könnte das auch daran liegen, dass Studierende einfach viel zusätzliche Zeit in die Bearbeitung der moocs investieren.  Und öffentlich finanzierte Erstellung von Lehr (!) Inhalten dann mit der Unterstützung privater Firmen wieder an Studierende zu verkaufen, klingt in Zeiten von Open-Educational-Ressources vorsichtig gesagt ein wenig weird.

moocs für Bildungsbenachteiligte
Immer wieder wird angeführt, dass moocs dazu beitragen können, dass (hochwertige?!) Bildung für alle Personen mit Internetzugang möglich werde. Mit ganz viel Pathos vertritt dies Daphne Koller (@DaphneKoller) in einem TED-Video. Nüchtern auf die Verteilung der TeilnehmerInnen nach Staaten hat dagegen Rolf Schulmeister geschaut: 38,5 % kommen aus den USA und 0,4 % aus Südafrika. Auch in Bezug auf den Bildungsabschluss scheint der Demokratisierungsanspruch nicht erolgreich, wie Philipp Schmidt bei einem Vortrag (@schmidtphi) auf der Internet und Gesellschaft Initiative „Lernen in der digitalen Gesellschaft“ zeigte: 90 % der Befragungsteilnehmenden eines untersuchten coursera-moocs hatten Hochschulabschluss, 10 % sogar einen Dr.

moocs für Bewerbungsdaten
Wie die Geschäftsmodelle von moocs aussehen können, weiß die Süddeutsche Zeitung noch nicht („obwohl noch nicht klar ist, wann und wie sie profitabel werden könnten“), ein paar Hinweise gibt aber auch Schulmeister:

  • Mooc-Betreiber vermitteln über Tests Lernende an Unternehmen (und erhalten dafür vermutlich auch Geld)
  • Mooc-Betreiber sammeln Daten über das Lernverhalten ggf. auch für zukünftige Arbeitgeber
Weiter führt er aus, wie in ebooks, die amerikanische Hochschulen für ihre Studierende anschaffen, learning analytics betrieben wird – und zwar nicht für die Lehrenden und Lernenden zur Unterstützung des Lernprozesses, sondern für die Verlage.
Welchen Weg iversity, die „[erste] kommerziellen MOOC-Plattform in Deutschland“ (SZ) gehen will, ist mir noch nicht klar. 


These 2 – Was schon da ist, wird nicht gesehen und genutzt
Die Berichterstattung in den Medien zum Thema moocs schlägt häufig in die Kerbe an deutschen Hochschulen würden digitale Medien noch nicht ausreichend für die Lehre genutzt und die moocs seien ein Grund, sich damit nun stärker auseinanderzusetzen. Das geht soweit, dass es in der Zeit so klingt, als würde iversity die erste Lernplattform überhaupt aufbauen (ich weiß das ist kleinlich gelesen):

Auch in Deutschland bringen sich dafür gerade mehrere Unternehmen in Stellung. Hannes Klöpper will mit seinem Start-up Iversity das europäische Coursera werden. Es wurmt ihn zwar, dass er schon vor vier Jahren die Idee für eine Lernplattform hatte und ihm die Amerikaner zuvorgekommen sind.

Fakt ist aber halt, dass iversity schon lange auf dem Markt ist. Mit einer m.E. interessanten hochschulübergreifenden Lernplattform (u.a. mit Funktionen wie social reading) und jetzt die Plattform für einen mooc weiterentwickelt. Auch die SZ hatte das nicht weiter ausdifferenziert, den zugehörigen Artikel aber mittlerweile aus dem Netz genommen.
Dass es schon lange eine Vielfalt unterschiedlicher Plattformen gibt, deren Öffnung für Inhalte aus dem Netz auch schon seit Jahren vor allem von Michael Kerres gefordert wird (wie hier im cmooc Zukunft des Lernens) fällt dabei unter den Tisch. Genauso die deutschsprachigen moocs, die eben in der Mehrzahl ein didaktisch spannenderes Format fahren, als die in den Medien präsenten xmoocs. Eine gute Übersicht zu den deutschprachigen moocs sowie den verschiedenen mooc-Varianten gibt es bei e-teaching.org.

These 3 – Kooperationen werden nicht genutzt
Gemeinsam entwickeln und durchführen
Moocs könnten eine neue Gelegenheit sein, Lehren und Lernen gemeinsam zu planen, zu konstruieren, kooperativ zu entwickeln und zu ermöglichen. Bei den cmoocs ist das in der Tat immer wieder der Fall: Mehrere unterschiedliche Dozierende kommen zusammen, beziehen ihre Inhalte und Methoden aufeinander, machen z.T. auch Ihre Planungen transparent und reagieren (unterschiedlich) auf die Beiträge der Lernenden in Blogs, Tweets, Connect-Sitzungen. Zu dem Thema hat Claudia Bremer auch einiges auf ihrer Webseite bereitgestellt: http://www.bremer.cx/veroeffentlichung.html#mooc.

Offenheit der Kurse nutzen
Diese Offenheit der Kommunikation und freie Zugänglichkeit von Inhalten erlaubt verschiedene Perspektiven auf Fragen, Definitionen, Lösungen, das Einbringunen von unerwarteten Tools durch die Lernenden (vgl. mein Artikel dazu hier, S. 449-452) sowie die Begegnung mit TeilnehmerInnen, die ich in einem traditionellen Hochschulkurs vielleicht nicht treffen würden (vgl. einen Artikel von Martin Ebner (@mebner) und mir, der noch im Erscheinen ist). In xmoocs wird diese Chance für eine diverse Teilnehmerschaft kaum unterstützt. Durch amerikanisch geprägte Beispiele wird die kulturell unterschiedliche Herkunft der Teilnehmenden – ein Aspekt ihrer Diversität – missachtet. Oder versteht Ihr genug von Baseball, um Statistik-Beispiele dazu zu bearbeiten?

Viele der Inhalte sind ohnehin nur in den entsprechenden Plattform auffindbar, Peter Baumgartner dazu: „So hat z.B. Coursera seine Videos aus dem Kurs wieder gesperrt!“

Immerhin hat der coursera-Kurs „elearning and digital cultures“ (den ich angefangen aber nicht zu Ende gemacht habe) einiges an Content aus dem Netz eingebunden, z.B. ein paar sehr gut gemachte youtube-videos (zwei hatte ich auch schon in meine youtube-Playlist eingefügt). Außerdem sind die beiden von Claudia Bremer mitgestalteten und organisierten Kurse opco11 und opco12 noch immer komplett im Netz auffindbar.

Dass nämlich das alte Prinzip „eher teilen Lehrende ihre Zahnbürste, als ihren Content“ nicht mehr uneingeschränkt gilt, könnte man durch moocs unterstützen, wenn die Inhalte auch offen bleiben und nicht nach Beendigung eines Kurses nicht mehr aufrufbar sind. Eine Überlegung in dieser Richtung hat beispielsweise Sandra Schön (@sandra_schoen) in ihrem Blog mit Blick auf das Mooc-Fellowship ausgeführt.

Dass so etwas wieder dem flipped classroom helfen kann, zeigt Christian Spannagel, der zuletzt das Video eines anderen Lehrenden für seine flipped Vorlesung verwendet hat – finde den Tweet dazu aber irgendwie nicht.

These 4 – Interaktionsmöglichkeiten sind unterbelichtet
Dass Moocs mehr sind als digitale Vorlesungen, weiß auch die Süddeutsche Zeitung:

[Moocs] sind interaktiv. Studenten sollen an Diskussionsforen teilnehmen, erhalten Hausarbeiten, können Prüfungen ablegen.

Diskussionsforen, Hausarbeiten und eAssessment sind aber keineswegs neu, beim eLearning findet das ja in unterschiedlichen Ausprägungen schon lange statt – zumindest dann, wenn über den Einsatz von Lernplattformen als PDF-Schleudern hinausgegangen wird.

Ein – weitgehend – neuer Interaktionsaspekt in moocs ist jedoch der massive Einsatz von Peer-Feedback. Studierende reichen ihre Hausarbeiten ein und geben dann anderen Studierenden Feedback und erhalten von anderen Studierenden Feedback. Das ist das Modell, mit dem Massen von Studierenden eine Rückmeldung gegeben werden kann. Dabei verschwinden die Lehrenden aber oft ganz aus dem Lehr-Lernprozess.

Auffällig ist, dass die Online-Kurse fast überall als „soziale Plattformen“ oder „Lernen im Zeitalter des Web 2.0“ beworben werden. Gerade in den großen Kursen ist meist genau das Gegenteil der Fall. Der Austausch läuft meist über ein klassisches Diskussionsforum, in dem nur ein kleiner Teil der Lernenden aktiv werden, ganz zu schweigen von ihren Dozenten

Kritisiert auch Jöran Muuß-Meerholz (@jmm_hamburg). Wohlgemerkt ist dabei vor allem von den so genannten xmoocs die Rede. Claudia Bremer fasst das so zusammen, dass die Frage sei, ob man Frontalunterricht online mache. Dass die meisten xmoocs schon fast dahinter zurückfallen, haben Khalil und Ebner (2013) mit ihrer Untersuchung von Interaktionsmöglichkeiten gezeigt, indem sie bei 30 moocs Kursdokumente, Diskussionen und Interaktionstools analysierten. Ein Ergebnis ist besonders ernüchternd:

Since “student to instructor” interaction is missed in [x]MOOCs, futurestudies should be carried out to suggest more strategies and instructional activities that promote and enhance MOOCs “student to instructor” interactions. (Khalil und Ebner 2013, S. 18).

Für cmoocs habe ich mit Martin Ebner (im Erscheinen) mal analysiert, was über Twitter kommuniziert wird, da dieser Kommunikationskanal dort oft ein wichtiges Element ist.

These 5 – Präsenzhochschule und moocs passen noch nicht
Moocs und die klassischen Präsenzhochschulen passen zumindest noch nicht zueinander. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass in den Medien dann teilweise Konzepte durcheinandergeworfen werden. So sieht die Zeit das Prinzip des flipped classroom wie es in der Khan Academy verfolgt werde als Grundlage für die moocs:

Khans Prinzip – auf dem inzwischen alle Moocs beruhen – ist der flipped classroom: Anstatt seinen Schülern Frontalvorträge zu halten, filmt sich der Dozent in seiner Unterrichtsstunde ab und stellt das Video ins Netz. 

Nur ist weder das Einstellen von Unterrichtsvideos ein mooc, noch ein flipped classroom. Bei einem xmooc werden die Videos in eine Kursstruktur eingebunden, bei dem oft das Peerfeedback auf eingereichte Aufgaben das zentrale Interaktionselement ist. Auch die Zeit  verwechselt Video-Bereitstellung, flipped classroom und moocs.
Der Reiz des flipped classroom besteht aber gerade darin, dass die Präsenzzeiten besser für Interaktionen, Fragen, Problemlösungen genutzt werden können (vgl. flipped classroom ist nicht Videolernen). Bei den meisten moocs gibt es aber keine Präsenzveranstaltungen (im Sinne von face-to-face-Treffen). Wie flipped classroom und moocs thematisch zusemmengebracht werden können, zeigen Claudia Bremer (@clbremer) und Christian Spannagel (@dunkelmunkel) sehr schön hier.

Es gibt aber einige Versuche, moocs im Sinne von Blended Moocs durchzuführeh, also mit einem Online- und einem Präsenzanteil. Wie das aussehen kann, hat Volkmar Langer (@VolkmarLa) u.a. beim Fachforum „Open Online Courses – Perspektive für (offene) Bildungsveranstaltungen für Hochschulen und Weiterbildung erläutert:

These 6 – Moocs sollen von der Lehre entlasten
Werden Moocs weiter vor allem und nahezu ausschließlich auf die Interaktion zwischen den Studierenden/Lernenden ausgerichtet, hat wohl Marcus Rieke, Geschäftsführer von iversity mit dem recht, was er in der Süddeutschen Zeitung äußert, nämlich dass moocs auch von der lästigen Pflicht der Lehre entlasten:

Und die Professoren könnten sich dem widmen, was die meisten sowieso viel lieber täten – nämlich hauptsächlich forschen. 

In diese Richtung zu gehen, halte ich aber für einen fatalen Weg. Vielmehr sollte man/ sollten wir uns Gedanken machen:

  • Wie können moocs und Präsenzveranstaltungen lernförderlich miteinander verbunden werden? (Grundsätzliches zur Verbindung von Offline und Online habe ich mit zwei Kolleginnen mal hier angerissen)
  • Wie kann die Interaktion in den moocs (vor allem den xmoocs) methodisch vielfältiger werden?
  • Wie kann gewährleistet werden, dass die Lernenden auch mit der/die Prof. kommunizieren, d.h. Lehren und Lernen zusammen gedacht wird?
  • Wie erreichen wir eine international diverse Studierendenschaft? Gerade auch mit Blick auf die zunehmende Öffnung der Hochschulen?
  • Wie können Geschäftsmodelle entstehen, die nicht auf eine Kommerzialisierung von Bildung und einen Ausverkauf von Daten hinauslaufen?
Ich denke da bewegt sich bereits einiges in die Richtung.
Ich habe hier vor allem noch mal vor dem Hintergrund der Berichterstattung in den Medien noch mal schauen wollen, was es zu tun gibt. Hoffe das ist mir einigermaßen gelungen, freue mich auf Kommentare und Hinweise.
Und für mich bleibt noch als nächstes den Artikel von Daphne Koller u.a. zum Thema Abbruchquote zu lesen. Vielleicht finden sich da ja auch schon Ansätze :).

verschlafene Schulen

Vielleicht bin ich ein Logik-Nazi. Es nervt mich aber immer wieder, wenn ich in Artikeln Vergleiche und Bezüge finde, die zumindest imho nicht passen.

Aktueller Anlass: Rupert Murdoch in der FAZ: Bildung ist das letzte Reservat
Hier die Logik-Lücken + Kritikpunkte:
  • Murdoch sieht eine Diskrepanz zwischen erwartbarem Zustand von Wirtschaftsnationen und aktuellem Zustand; „Für jedes Unternehmen geht es entscheidend um Humankapital – wie man es findet, entwickelt und pflegt.“ Technischer Fortschritt sorge überall für mehr Produktivität. Dies [was genau?] gelte für alle Bereiche des Lebens außer der Schule.
Was stört mich?: Der Zustand der Wirtschaftsnationen ist kein Lebensbereich. Er wirkt sich nur (vermutlich) auf verschiedene Lebensbereiche aus. Wieso werden hier Unternehmen mit Schulen verglichen? Murdoch führt keinen Grund dafür an, sondern wechselt einfach so in einen neuen Lebensbereich.
Was dahinter steckt: Entwicklung von Humankapital ist – in dieser Denkweise – die vordringlichste Aufgabe von Schulen. Wirtschaftsnationen sind nur so stark wie ihre Bürger – bzw. Arbeitskräfte, die wiederum gut ausgebildet sein müssen. Dies findet sich bei Murdoch aber nur implizit.
  • Angeblich hat sich in den letzten 15 Jahren an Schulen nichts verändert. „Unsere Schulen sind der letzte Hort, der sich der digitalen Revolution widersetzt.“
Was stört mich?: 1. Es liegt nahe, dass Murdoch von amerikanischen Schulen spricht. Dann sollte man das aber (auch in einem provokanten Essay) sagen! 2. Woran macht er fest, dass sich nichts verändert habe? Gar nicht. Er behauptet es einfach. Dass es bspw. im deutschen Schulsystem enorme Veränderungen gab, z.B. was Prüfungen, Bildungsstandards…angeht sei hier nur am Rande erwähnt. 3. Es geht dann also doch ausschließlich um die digitale Revolution. Davon ist in der Einleitung des Artikels aber gar nicht die Rede!
Was dahinter steckt?: Vielleicht geht es nur darum, Content (des eigenen Medien-Imperiums) in die Schulklassen zu bekommen. Immerhin ist das Beispiel über die Veränderung der Arbeit eines Redakteurs das einzige schlüssige.
  • Geld ist keine Lösung!
Was mich stört? „Es hat nicht funktioniert“, schreibt Murdoch. Von den Zielen der Investition, der Verwendung der Mittel (Personal, Infrastruktur, Reformen, Projekte) nicht ein einziges Wort. Nur als Begründung: Das System sei eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Lehrer und Verwalter. Deshalb sei alles verpufft.
  • Phantasie der Kinder anregen – nicht mit Geräten, sondern mit Software.
Was mich stört?: Schön, dass Murdoch nicht behauptet, Computer würden an sich kreativ machen. Erschreckend, dass er dann einfach die Software als Lösung propagiert. Als Beispiele bringt er die Vermittlung von Inhalten über einen bekannten Fußballstar oder führende Flugzeugingenieure. Mit Software hat das zunächst noch nichts zu tun (wohl aber sein späteres damit unverbundenes ipad-Beispiel). Und kreativ sind in diesem Beispiel nur a) Murdoch und b) der Fußballstar/die Flugzeugingenieure.
Was dahinter steckt?: Nur ein Wort: Medienimperium?
  • „In Medien und Technologie haben wir gelernt, wie man gezielt kleine Gruppen erreicht, wie man die Abrufhäufigkeit von Websites maximieren kann und wie man personalisierte Newsfeeds anbietet.“
Was mich stört?: Schreiben haben wir dort wohl nicht gelernt. „IN“ Medien und Technologie lernt man nix. Oder ist das eine Zeitschrift, eine Lernreihe….? Und personalisiertes Lernen ist aus pädagogischer Sicht durchaus nichts neues. Der Frontalunterricht mit Alterskohorten ist über die gesamte Geschichte der Pädagogik gesehen sogar ziemlich jung (vgl. bspw. Terhart, Didaktik, Eine Einführung).
  • Alle müssen heute den Stoff im gleichen Tempo lernen.
Was mich stört?: Mit „Stoff“ ist Murdoch insgesamt antiquierter, als er denkt. Geht es nicht doch schon in Schulen um Kompetenzen? Und natürlich (s.o.) kann das individuell verschiedene Lerntempo ein Problem sein. Aber dafür gibt es viele Lösungsansätze (nicht nur eine personalisierte Lese(!)liste). Ein Beispiel: Freiarbeit.
  • Alle sollen den besten Lehrer/Experten haben können.
Was mich stört?: Die Forderung müsste eigentlich lauten: Alle Lehrer/Experten sollen Ihre Kurse und Materialien frei im Netz anbieten. Das kann man zumindest als bildungspolitisches Ideal vertreten / verfolgen wollen. Aber wer der/die Beste ist – wer soll das nach welchen Kriterien bestimmen?
Was dahinter steckt?: Es geht weiter darum, Inhalte zu verkaufen. Murdoch spricht von verschiedenen prominenten Wissenschaftlern oder Praktikern (nicht Lehrern!), die in einem Klassenzimmer versammelt werden könnten…“für den Preis, den wir für den Download eines Songs bezahlen.“
  • Murdoch will keine Lehrer durch Technologie ersetzen, sondern „öde Routinen abnehmen“.
Was mich stört?: Entschuldigen Sie bitte, Herr Murdoch. Welche „öden Routinen“ sollen denn abgenommen werden? Ihre Beispiele klingen für mich nach öde Routinen=Unterrichten!
  • Unklare Beispiele!
Was mich stört?: Nachhilfelehrer würden in Korea so viel verdienen wie Filmstars – Wer denn? Von welchem Gehalt sprechen wir denn? Ich möchte so etwas auch nachlesen/nachprüfen können! Eine Schule, in der „ausgerechnet“ wird, was jeder einzelne Schüler zu lernen hat und wie! Wie ist das denn gemeint? Zehn Seiten hat er schon gelesen (gelernt?!) und er muss noch 5? Durchschnittswerte in Testprofilen als Grundlage? Für mich klingt das nach einem sehr quantitativen Verständnis von Lernen.
Empfehlen möchte ich noch allen den Schlussabsatz von Murdochs Artikel. Dazu hier nur noch Stichworte:
  • Rausfinden, was am besten funktioniert
  • Alles zusammentragen
  • sein Unternehmen will sich engagieren
  • kein Kind soll marginalisiert werden
Hoffe mal, dass eine von Murdoch finanzierte Stiftung das konkret tut. Vermutlich aber eher nicht, denn (s.o.) Geld ist keine Lösung.
Disclaimer: Möglich, dass die ein oder andere meiner Anmerkungen im Originaltext weniger greift. Vermute nicht, aber ich habe da nicht nachgelesen. Und dass kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin nicht gegen den Einsatz von Ipads, Internet…in Schulen.

elektronische Textarbeit

Wahnsinn. Erst wenige Tage um und ich habe schon das Gefühl kaum noch hinterher zu kommen bei den Ereignissen, Beiträgen, Audioboos (nehme mir schon seit dem ersten Beitrag da vor mir den mal anzuhören, Audio passt aber oft nicht in meine Arbeitsumgebung), Kommentaren…

Doch das soll hier nicht Thema sein. Sondern…siehe rechts…
Hier gehts um die Möglichkeiten der elektronischen Textarbeit. Die Agenda das opco11 sieht einige Internettexte vor. Und wenn es Texte gibt, dann gibt es für mich zunächst drei Dinge zu tun: Lesen, unterstreichen, kommentieren (später passiert dann mehr mit den Texten).
Bislang mache ich das bei elektronisch vorliegenden Texten seit einiger Zeit im PDF-Format. Mit PDF-XChangeViewer bspw. kann man gut genau dieses vornehmen, speichern, ändern und auch mit KollegInnen austauschen: Kommentare, Unterstreichungen.
Da die opco11-Texte im Netz liegen, war mir schnell klar: Hier probierst Du die online-Variante dieser Lernstrategie (ehrlich sind es nur erste Ansätze einer Lernstrategie, aber immerhin).
Schon vor ein paar Jahren war ich da auf einen Vortrag von Christian Diel an der TU Darmstadt gestoßen: Könnerschaft im E-Learning, kann man Fertigkeiten vermitteln?Dort wurde diese gemeinsame Online-Textarbeit vorgestellt, die ich bislang aber noch nie ausprobiert habe. Um das hier verwendete Tool geht es in der Videolecture übrigens ca. ab Minute 16.30.
Die Gruppe war schnell aufgesetzt (nachdem ich mich an meine alten Zugangsdaten bei diigo erinnert hatte) und füllte sich schnell mit meinen Kommentaren und dann auch sehr schnell mit Mitgliedern. Großer Dank an alle beigetrenen Mitglieder! Zu sehen, wie es immer voller wurde (und weiter wird), macht Spass.

— Einschub: Was ich hier Spass nenne, könnte man auch hochtrabender (aber nicht weniger richtig) als „Selbstwirksamkeitserfahrung“ bezeichnen. Heißt: Ich merke, dass ich mein Lernen, aber auch das Lernen im Kurs generell beeinflussen kann. Motivation! (bedeutet das). Warum nicht auch im Klassenraum, im Seminar Studierende Richtungen, Methoden entscheiden lassen? Nicht unbedingt motivierend ist das allerdings, wenn die Selbstbestimmung in der immer gleichen Durchführung von Referaten besteht. Einschub Ende —


Nun aber endlich zu den ersten Erfahrungen mit der Textarbeit:
  • Kommentare auf meine Kommentare zu dem Text (also sehr konkret an andere Inhalte anknüpfende Auseinandersetzungen) zu sehen war ein Erlebnis !
  • Die Gruppe füllt sich weiter mit Links, die Ihr/andere Gruppenmitglieder einstellt. Freue mich über jeden einzelnen.
  • Funktionen entdecke ich nach und nach. Denn Ausprobieren ist auch eines meiner Lernziele im opc011.
  • Funktion 1: Keine flache Hierarchie in der Gruppe, man kann aber Mitglieder zu Gruppenmoderatoren machen. Das mache ich in regelmäßigen Abständen. Freue mich über Rückmeldungen dazu (gibt es Benachrichtigungen darüber, was kann man bearbeiten, motiviert das zusätzlich…etc?).
  • Funktion 2: Gruppenbild. Logo geklaut aus dem opco-Kurs-blog – sieht besser aus.
  • Funktion 3: Gemeinsam sortieren. Ich habe mir erlaubt, Tags zu ergänzen. Bei Texten/Links von Euch/anderen Gruppenmitgliedern. Ich gehe davon aus, dass in der Gruppe ein gemeinsames Content-Bearbeitungsverständnis vorherrscht. Hoffe das stimmt. Ein Änderungsbeispiel: Texte aus der ersten Woche erhalten den Tag „Woche1“.
Was mich jetzt aber brennend interessiert: Arbeitet Ihr auch ähnlich mit Texten (unterstreichen/kommentieren)? Wollt ihr das mal in diigo ausprobieren? Freue mich auf jeden Kommentar direkt zu den Texten. Wie das geht?
Wenn ihr in die diigo unter Tools die „Webhighlighter und Bookmark“-Extension aktiviert, könnt ihr bei dem aus diigo aufgerufenen Link (oder bei einer anderen Seite, die ihr dort bookmarked):
  • Texte farbig markieren und Kommentare an die Markierung dranhängen
  • allgemeine Popup-Kommentare einfügen.
Der Clou: Das kann man innerhalb der Gruppe (oder ganz allgemein) öffentlich machen und dann aufeinander reagieren. Das sieht bspw. so aus:


Bislang gibt es in der Gruppe noch nicht viele Kommentare, aber das kann sich ja noch ändern. :-). Und wer weiß, vielleicht schaffe ich – oder gerne auch jemand anders – noch eine screencast zur Erklärung (vgl. Ursels Cast ganz zu Beginn). Dann ist die Hürde vielleicht noch niedriger.

Zukunft des Lernens (#opco11) – Lernen als Perpetuum Mobile?

„Warum sich etwas verändern muss“ lautet die Agenda-Überschrift der ersten Woche des MOOC „Zukunft des Lernens“. Die Antwort darauf ist meines Erachtens zunächst eine triviale:

Das heißt: Wenn es um Lernen geht, dann muss sich IMMER etwas ändern.
Lernen bedeutet Anpassung/Veränderung. Entweder eine Veränderung einer Person oder einer anderen Entität (Organisatoren Lernen, Staaten lernen…). Den Begriff Anpassung finde ich hier wichtig, weil Lernen auch dazu führen kann, sich die Umwelten passend zu machen oder sich der Umwelt passend zu machen.
Die Definition für Lernen: „eine dauerhafte Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrungen“, siehe Online-Wörterbuch Erwachsenenbildung
Ob sich die Art zu Lernen ändern muss, oder ob durch das Lernen Erkenntnisse geschaffen werden, welche die Art zu Leben ändern sollen, ist m.E. eine Frage die an den Kern der Debatte rührt. Und die Antwort kann keine eindeutige/einseitige sein.
Es ist aber beispielsweise schwierig mit Richard Sennett zu argumentieren (brand eins, Absatz 5), dass die flexiblere Arbeitswelt ein neues Lernen erfordert. Warum? Sennett kritisiert in „Der flexible Mensch“ eben eine Entmenschlichung der Arbeitswelt. Lernen müsste also – wenn man Sennett in seinem Kontext folgen will – helfen, diese Welt zu ändern.
–Einschub: Wer vom Absätze zählen genervt ist, bitte kurz ans Ende des Posts springen–
Dass neue Erkenntnisse der Hirnforschung oder neue (na ja so neu auch nicht mehr) Medien ein neues Lernen nötig/sinnvoll machen würde ich ebenfalls skeptisch einschätzen, dazu ein paar Entgegnungen bezogen auf die Agenda-Texte aus dem Kurs:
  • Lehre sei keine unverzichtbare Voraussetzung für die Initiierung und Begleitung von Lehrprozessen (FAZ-Artikel, Absatz 1)
Wenn ich von initiieren und Begleitung lese, gehe ich davon aus, dass dies von außen erfolgt. Initiert werden solche Prozesse sicherlich auch von (zufälligen) Begegnungen mit Texten, Tweets, Audioboos, Erfahrungen…Dies braucht keine Lehre. Aber eine Begleitung braucht in der Regel jemanden der begleitet. Eine Möglichkeit davon ist Lehre – oder es handelt sich im allgemeineren Sinne um Personen, die Lern-Begleitung als ihre Aufgabe sehen. Und wenn ich nicht zufällig lernen will, dann hilft Lehre oder Unterricht einfach (abgesehen von der Zertifizierung, die ja auch schon im opco11 angesprochen wurde — Einschub: wie zitiere ich in einem Blog am besten Tweets?–)
  • informelles Lernen: 80% ihrer Fähigkeiten lernen Erwachsene außerhalb von Bildungsinstitutionen (FAZ-Artikel, Absatz 2)
Das überrascht nicht wirklich. Wie viele Erwachsene verbringen wie viel ihrer Lebenszeit in Bildungsinstitutionen oder Fortbildungen? Es wäre erschreckend, wenn außerhalb kein Lernen stattfinden würde, bedenkt man die obige Definition.
  • Wozu Teilnahmepflicht, wenn Wissen auch durch Einsenden von Lösungen nachgewiesen werden kann (FAZ-Artikel, Absatz 6)?
Das ist ja vielleicht der Kern der sich ändern muss (oder bereits geändert hat?): Ist die Hochschule ein Ort um Wissen nachzuweisen? Oder soll hier lernen ermöglicht, begleitet, unterstützt, angeleitet werden? Das kann natürlich auch online geschehen. Die Frage ist hier aber auch eine des Aufwandes, der Lehr- und Lernziele sowie der Interaktionsgestaltung (wie es auch im Artikel später heißt).
Ich schließe vorerst mit:
  • Lernen ist immer Selbstlernen (FAZ-Artikel, letzter Absatz)
Absolute Zustimmung, nur: Selbstlernen läuft nicht von alleine (auch wenn der Begriff vielleicht schon nach einem Art-Perpetuum Mobile klingt). Wenn der Eintritt und das Leben im wissenschaftlichen Raum gelingen soll, dann brauch es mehr. Meine (Selbstlern)-Lektüre hierzu:
Noch vor dem Schluss ein (etwas älteres) Tool (weil es schon so viele spannende gab):
Wer will, kann meine Notizen zu den beiden hier angegebenen Artikeln auch direkt im Text verfolgen und selbst Kommentare (dies nur mit Anmeldung) hinterlassen:
…und bald lese ich: http://ietherpad.com/Bildungsvisionen 🙂