Zensursula erfindet Netiquette?

Wie soll ich denn das verstehen, wenn Ursula von der Leyen in einem langen Interview (zunächst sehr viel zum Thema Streik der Erzieherinnen) fordert:

Mobbing im Netz kann nicht toleriert werden. Respektvoller Umgang muss in Chats, blogs [wieso klein geschrieben?] oder Foren so selbstverständlich sein, wie wir das auch im Schulalltag mit Streitschlichtern oder Vertrauenslehrern einfordern.

Da stellen sich mir folgende Fragen:

  • Gibt es nicht schon seit über 10 Jahren die sogenannte Netiquette?
  • Soll es jetzt knigge-mäßige, vom Familienministerium beauftragte Etiquette-Beauftragte geben?
  • Oder sollen Verhaltensempfehlungen in Gesetze gefasst werden: Strafe bei uninformativen E-Mail-Betreffzeilen? Manche sehen solches ja durchaus als wenig respektvoll an (denn diese Mails kosten unnötig viel Zeit).
  • Soll auch überprüft werden, ob man wirklich realisiert hat, dass auf der anderen Seite des Netzes ein Mensch sitzt? Was ja als Appell durchaus sinnvoll ist (siehe Netiquette hier)

Dass man mich nicht falsch versteht: Eine Netiquette ist ein Must. Aber wie will die Familienministerin deren Einhaltung gewährleisten?

Betreffzeilen sind oft schon ein Greul, aber soll man auch so etwas gesetzlich bzw. politisch regeln? Wo fängt es an, unsinnig zu werden? Beleidigt fühlen sich ja auch schon manche Dozenten beim Netz-Ton, den Studierende anschlagen. Hierzu sei auch Jochen Hörischs – sonst an vielen Stellen schon sehr anregendes Buch mit teilweise hohem Wiedererkennungswert empfohlen: Die ungeliebte Universität. Rettet die Alma mater. Dort findet man m.E. sehr harmlose Mails als Beispiel für unverschämtes Verhalten.

Und wirkliches Mobbing dürfte doch auch im Netz strafbar sein.

Vielleicht ist das Vorbild für die Initiative/Äußerung von Frau von der Leyen ja die USA.

Wissenschaflter ohne Gehirn?

Neue Rubrik zu Sprachverhunzungen oder unglücklichen Ausdrücken:

Am Wochenende im Radio einen sehr spannenden Bericht zum Bewusstsein bei Pflanzen gehört. Unglaublich, wie Pflanzen je nach Schädlingsbefall unterschiedlich reagieren oder ihre eigene Umwelt beeinflussen können, indem sie bestimmte Stoffe abgeben.

Sprachlich eindrucksvoll:

Mangels eines Gehirns und schnellerer Ausdrucksmöglichkeiten weigern sich viele Wissenschaftler, Pflanzen als intelligent zu bezeichnen – und nicht nur als intelligent programmiert.

Menr in der gesamten Mitschrift der Sendung.


	

Google war da – was mitgenommen?

Über 800 Schreibweisen für Britney Speers (sic!) 😉 hat Google in seiner Datenbank, um immer die richtigen Vorschläge mit „Meinten Sie“ unterbreiten zu können. Das ist auf jeden Fall bei mir hängengeblieben, nach dem Vortrag von Dr. Stefan Tweraser, Country Director (Sales) Google Germany GmbH an der HHU.

Was noch?
Als Google-Vertreter pflegt man eine andere Vortragskultur, als ich sie von der Uni kenne:

  • Möglichst persönlich

Ich weiß jetzt, dass der Mann eine Frau hat, die sich im Internet über eine schlechter gewordene Windel beschwerte und dass er sich früher in Wien ein Telefon mit mehreren Teilnehmern teilen musste

  • Große Bilder mit kurzen Sätzen auf den Folien

„Google will ernsthaft sein, ohne Anzug.“ – Wobei Tweraser einschränkte, dass er in seinem Bereich Verkauf durchaus Anzug trage – nur dieses mal an der Uni nicht. Richtig ist das natürlich schon: Vollbilder sollten in PPTs immer mal wieder eingesetzt werden. Gelungen auch diese PPT aus dem Universitätskontext.

  • Zahlen, Fakten, Zahlen

„Einen Satz, der mit ‚ich glaube‘ anfängt, braucht man bei Google gar nicht zu Ende zu sprechen“, so Tweraser. Warum? Weil man bei Google Fakten hat und die soll man auch nennen. Naja, Daten haben sie ja sicherlich genug. Ob das schon Fakten sind…Und was das über Kreativitätskultur aussagt…

  • den Mythos pflegen

Was davon stimmt, weiß ich leider nicht. Wichtig (d.h. für die Behaltensleistung förderlich) ist es aber m.E. die Unternehmensgeschichte in Geschichten erzählen zu können: Die Google-Gründer haben PCs mit Gehäusen aus Legosteinen gebaut (Geld fehlte). Das erste Geld wurde auf „Google Inc.“ ausgestellt, nur deshalb wurde eine Firma gegründet, weil man sonst nicht an den Scheck gekommen wäre. Und: Es gibt eine Rutsche von der ersten Etage in die Kantine bei Google Zürich (besonders interessant bei diesem verlinkten Erfahrungsbericht: „Das Wichtigste, die eigentliche Arbeit scheint bei Google ein Tabu-Thema zu sein.“ Wieso?).

Worauf ich in (Recherche-)Schulungen immer noch gerne hinweise:
Google-Falle

Trotzdem, ja: Dieser Blog läuft auf Googles Blogger.

Mehr zum Vortrag in Düsseldorf hier auf S.7 (oder kann man bei scribd direkt auf die Seite verlinken??):
Campus Delicti #303

Obama und die Fliege

Es wirkt ja schon wie eine PR-Maßnahme, dass Obama im Interview die Fliege erlegt. Ich kann mich auch nicht erinnern, jemals eine Fliege aus einem Fernesehstudio übertragen gesehen zu haben. Haben die sonst eigene Fliegenjäger, Fliegengitter, speziell trainierte Katzen im Einsatz? Oder kennt jemand eine ähnliche Szene aus dem Fernsehen?

Immerhin überlegte die SZ (vorsicht Satire), ob es vielleicht ein paar Spin-Doctors gibt, die im Keller des weißen Hauses Fliegen trainieren, die dann im Studio losgelassen werden, damit bloss keiner glauben kann, Obama könne keiner Fliege etwas zu Leide tun.

Wofür steht aber eine Fliege politisch? Ich könnte nur den Bezug zu Sartres „Die Fliegen“ herstellen – bei Wikipedia fehlen übrigens die Fliegen selbst bei der Aufzählung der Protagonisten ;). Die Tierchen stehen bei Sartre für das schlechte Gewissen, das durch eine unrechtmäßig Erlangung von Macht erzeugt wurde. Also wohl kein passendes Symbol für Obamas Selbstvermarktung.

Ein anderer Klassiker, auf den in dem Interview verwiesen wird: Der Film „Die Fliege“, neu verfilmt mit Jeff Goldblum, aber eigentlich ist das Original schöner. Und direkt passend dazu reagiert Jeff Goldblum mit einem Kurzstatement zu den 6.5 Millionen Jahren alten majestätischen Kreaturen, für die lange keiner das Wort ergriff:

Mr President apologize for this brutal act of violence.